Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung
BENNA, Anna Hedwig: Studien zum Kultusprotektorat Österreich-Ungarns in Albanien im Zeitalter des Imperialismus (1888–1918)
Studien zum Kultusprotektorat Österreich-Ungarns in Albanien 19 büße an seinen Schutzrechten, da der Erlaß seinen erworbenen Rechten insoweit Rechnung trug, als er die Bestimmung enthielt, daß in jenen Missionssitzen, wo der Schutz Österreich-Ungarns in Kraft besteht, die kirchlichen Funktionäre sich jeder Änderung an der bisherigen Übung zu enthalten haben31); dies wurde auch von Kálnoky anerkannt32). Eine Ausbreitung des französischen Protektorates auf Grund des Dekretes wurde von Kálnoky im Hinblick auf die allgemeine Lage Frankreichs nicht befürchtet. Kálnoky verkannte allerdings nicht die Tatsache, daß Frankreich schon deshalb stets einen bedeutenden Einfluß auf die kirchlichen Fragen im Orient auszuüben in der Lage sein werde, da ihm bedeutende Geldmittel für diese Zwecke zur Verfügung stünden33). Das an der Kurie vorhandene, auf Abschaffung aller nationalen Protek- torate gerichtete Streben entging den österreichich-ungarischen Diplomaten nicht34). Daß dieses vorhanden war, ist nicht zu leugnen und es kann auch nicht überraschen, daß der Heilige Stuhl, der die Gefahrenmomente, welche die Missionsprotektorate weltlicher Mächte in sich bargen, wohl erkannte, jede Möglichkeit, die Stellung der Kirche in den Missionsländern zu verbessern und zu stärken, ergriff. Das Pontifikat Leos XIII. ist gekennzeichnet von der Sorge des Papstes um die Missionsländer und die Heimholung der schismatischen Kirchen des Ostens 35); die Politik diente in letzter Linie den geistlichen Aufgaben des Summus Pontifex, es geht daher kaum an und widerspricht der geschichtlichen Wahrheit, wenn man von einem Positionswechsel vom Politischen zum Religiösen und umgekehrt spricht36). Die engen politischen Bindungen des Papsttums an Frankreich, das unter Patronanz der kúriaién Diplomatie zustandegebrachte russisch-französische Bündnis standen im Dienst der Missionsund Einheitsidee. Leo XIII. schloß mit Ländern, wie Montenegro37) Konkordate ab, er war auch grundsätzlich bereit mit der Türkei ein Konkordat betreffend Albanien abzuschließen, als ein derartiger Plan von Seiten des armenischein Patriarchen Msgr. Azarian erstmalig 1887 bei einem Besuch in Rom erwogen wurde38). Allerdings standen sowohl Leo XIII. als auch Rampolla auf dem Standpunkt, daß ein derartiger Plan nur mit Zustimmung der Schutzmacht, also Österreichs-Ungarns, realisiert werden konnte. 31) Vgl. oben S. 17, Anm. 22. 32) PA XII, 235. Weisung an Okoliczanyi (Rom V), 1888 September 12. Weisung an Calice (Konstantinopel), 1888 September 14. 33) PA XII, 235. Weisung an Okoliczanyi (Rom V), 1888 August 2. 34) PA XII, 235. Bericht Okoliczanyi Rom V, 20, 1888 August 2. 3ä) Vgl. dazu Sch midiin, a. a. O., S. 500 ff. 36) E. Winter, Rußland und die slawischen Völker in der Diplomatie des Vatikans 1878—1903 (1950), S. 135. 37) Vgl. Schmidlin, a. a. O., S. 518. J. Markowicz, Slaveni i pape (1953), S. 35. Winter, a. a. O., S. 114. 38) PA XII, 234. Türkei Liasse XIII B enthält die Vorakten von 1887. 2*