Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 6. (1953)

NECK, Rudolf: Zeitgeschichtliche Literatur über Österreich

524 Literaturberichte march an einen Schutz für Angra Pequema. Eigene koloniale Erwerbungen des Reiches suchte Bismarck mit Rücksicht auf die Haltung Englands nicht. In die Zeit des ersten Weltkrieges führt die Studie Gerhard Ritters, Das Verhältnis von Politik und Kriegführung im bismarckischen Reich (S. 69—97), der ein 1943 gehaltener Vortrag des Verfassers zugrunde liegt, in dem er der Frage nach Koordinierung von Kriegführung und Außen­politik in der Vergangenheit nachging. Wie Ritter ausführte, bestand als Erbe der Bismarckzeit eine Zersplitterung der obersten Kriegsämter sowie eine weitreichende Rivalität zwischen Außenpolitik und Kriegführung. Die unmittelbare Unterstellung der Wehrmacht unter den Oberbefehl des Mon­archen schuf eine Zersplitterung der Kriegsvorbereitungen, namentlich dann, wenn Monarchen wie Kaiser Wilhelm II. nach 1900 den Flottenbau förderten und die Aufrüstung des Heeres vernachlässigten. Reichskanzler­amt und Generalstab stimmten ihre Aktionen nicht aufeinander ab. Die Aufmarschpläne zwischen 1895—1914 zeigten, wie Deutschland in eine politische Lage hineintrieb, die militärisch nur als hoffnungslos bezeichnet werden konnte. Deutsch - englischen wissenschaftlichen, kulturellen und politischen Verflechtungen gehen die beiden folgenden Arbeiten nach. Wilhelm Treue, Adam Smith in Deutschland, Zum Problem des „Politischen Professors“ zwischen 1776 und 1810 (S. 101—133) konnte die Ausstrahlung Smithscher Ideen seit J. F. Schillers Übersetzung von Wealth of Nations vom Haupt­umschlagplatz englischen Geistesgutes in Deutschland, Göttingen, auf die Universitäten Königsberg, Halle a. S. und Berlin und somit auf die dort studierende Schicht preußischer Politiker und Beamten wie Hardenberg, Stein, Bülow nachweisen. Einer der besten Kenner deutsch-englischer Wechselbeziehungen, Percy E. Schramm, ging in seinem Beitrag Englands Verhältnis zur deutschen Kultur zwischen der Reichsgründung in der Jahr- hundertivende (S. 135—-175) der Frage, die er in einer früheren Arbeit Deutschlands Verhältnis zur englischen Kultur nach der Begründung des Neuen Reiches (Schicksalsweg deutscher Vergangenheit, Festschrift für S. A. Kaehler, Düsseldorf 1950, S. 289—319) vom deutschen Standpunkt her gestellt hatte, nun vom englischen Standpunkt nach. Sch. untersuchte die Bereiche Dichtung, bildende Kunst, Musik, Rechts- und Geschichts­wissenschaft und konnte feststellen, daß nur die deutsche Musik ihre Stel­lung, die sie seit den Tagen Händels im englischen Kulturleben einnahm, behaupten konnte: der Einfluß deutscher Dichtung und der deutschen bildenden Kunst dagegen war stark zurückgegangen. Die englische Rechts­geschichte, vor allem Maitland, nahm Anregungen Ottos von Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd.l—3, Berlin 1881 (englische Übersetzung des mittelalterlichen Teils von F. W. Maitland, Cambridge 1900) auf. Be­deutend war auch der Einfluß der deutschen historischen Schule auf die englische Geschichtsschreibung, vor allem hinsichtlich der Übernahme der Editionstechnik mittelalterlicher Geschichtswerke. In England verblaßte jedoch in dieser Zeit das Bewußtsein des Germanenerbes und wich einem Keltenkult, der sich in einer starken Annäherung an Frankreich und die französische Kultur manifestierte. Dem Abrücken von der germanischen Welt im Geschichtsbild entsprach ein Abrücken vom Protestantismus. Der

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