Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)

HAUPTMANN, Ferdinand: Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878–1881

Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878—1881 201 Bündnis mit Deutschland gearbeitet, zuerst um sich im Drei-Kaiser-Bünd- nis als gleich wünschenswerter Partner für Deutschland wie für Kußland zu geben und dann, um sich ganz von Rußland zu lösen 56). Der Sieg dieser Politik fiel in das Jahr 1879. So begrüßte man in Wien das Oktober-Bündnis als eine Befreiung von der Notwendigkeit, künftighin auf Rußland Rück­sicht nehmen zu müssen, und erhoffte noch weitere Rückendeckung durch Annäherung an England zu erzielen57). Eine erneute Rücksichtnahme auf Rußland wurde zwar durch die Regie­rungsübernahme Gladstone notwendig gemacht, umsomehr als der Ausgang der englischen Wahlen den deutschen Partner verstärkt in russische Bah­nen wies, aber eine Entscheidung in dieser Richtung wog für Österreich doppelt schwer, da eine Heranziehung Rußlands für das teilweise Verlassen der bisherigen Politik keine Entschädigung bieten konnte. Das Vertrauen auf Rußland war österreichischerseits gänzlich ge­schwunden, seitdem Rußland trotz der schriftlichen Vereinbarungen von Reichstadt und vom Jahre 1877 den Vertrag von San Stefano abgeschlossen hatte, ferner nach dem Berliner Kongresse schon wieder an der Abänderung der Beschlüsse arbeitete. Dazu bot das Schwanken der russischen Politik zwischen Drei-Kaiser-Bündnis und Panslavismus keine Gewähr für die künftige Einhaltung der Verträge, und Haymerle mußte dabei nur befürch­ten, von Rußland im gegebenen Falle aufs neue hinters Licht geführt zu werden58). Die ganze russische Argumentation, die in Bismarck einen so warmen Fürsprecher fand, mußte Haymerle in seinem Mißtrauen gegen neue Vereinbarungen mit Rußland nur bestärken. Rußland hatte einerseits erklärt, in nächster Zeit nicht an einer Vereinigung Bulgariens mit Ost- rumelien zu arbeiten, in Wirklichkeit betrieb es aber den Plan eines Groß­bulgariens, und nicht genug damit, trat es schon jetzt an Österreich mit der Aufforderung heran, über diese Eventualität zu verhandeln. Haymerle hatte zwar, wie auch Kálaoky, aus außenpolitischen Gründen seine Geneigt­heit in Friedrichsruh bekanntgegeben, sich über diese Frage mit Rußland zu besprechen, da er die Vereinigung beider bulgarischer Länder für un­abwendbar und nur für eine Frage der Zeit hielt 59), betonte aber gegenüber Bismarck, daß man keineswegs von konservativer Politik sprechen könne, wenn man die russischen Pläne befürworte60). Ferner wünschte er auch, wenn es Rußland ehrlich um einen Ausgleich mit Österreich zu tun wäre, diesen Friedenswillen praktisch einmal angewendet zu sehen, denn „wenn Österreich-Ungarn ein Einverständnis pflegen solle, so müßte dies in voller Aufrichtigkeit geschehen, und in der Überzeugung, daß damit die Sache des Friedens und das konservative Interesse gefördert werde. Fürst Bis­marck würde der Erste sein, es naiv zu finden, wollte Österreich an seinen Grenzen ein Staatengebilde schaffen, welches der Monarchie feindselig ge­genüberstünde. Die Länder, um die es sich handelte, stünden unter dem entschiedenen Einflüsse Rußlands. Die russischen Agenten dort schienen aber nur nach der Richtschnur zu handeln, gegen alles aufzutreten, was

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