Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)
NECK, Rudolf: Diplomatische Beziehungen zum Vorderen Orient unter Karl V.
78 Rudolf Neck auch ihr westlicher Feind waren zu größeren, geschlossenen Aktionen nicht imstande und beide überdies noch mit anderen Gegnern beschäftigt92). So kam es, daß man wohl stets genau die Vorgänge an der anderen Grenze des osmanischen Reiches beobachtete9S *) und besonders in Zeiten eigener Bedrängnis den vorgesehenen Alliierten gegen den Sultan aufzustacheln versuchte, selbst jedoch froh war, wenn man Frieden und freie Hand zu anderen Unternehmungen hatte. Die Initiative lag in Asien wie in Europa bei der Pforte, ja man hielt es im Abendland ohne weiteres für möglich, daß Süleiman im Osten und Westen gleichzeitig offensiv Vorgehen könnte 94). Dennoch bestanden, wie wiederholt festgestellt werden konnte, zwischen den Vorgängen im Orient und Europa weiter gehende ursächliche Zusammenhänge ,als man auf Grund der mangelhaften Kooperation annehmen möchte. Wie seine Vorgänger war auch das Safawidenreich in die erdräumlich bedingte Rolle eines natürlichen Bundesgenossen der europäischen Mächte gegen den Sultan versetzt9S), so wie auch das französischtürkische Bündnis letzten Endes in der Natur der Verhältnisse lag98). Es bestand demnach eine Wechselwirkung zwischen den politischen Ereignissen innerhalb des europäischen Staatensystem und den gleichzeitigen bedeutungsvollen Vorgäingen in Asien97). In diesem Zusammenhang gesehen gewinnen auch die geschilderten Versuche an Gewicht, besonders wenn man sie mit ähnlichen Erscheinungen am Rande der Politik des Kaisers in Parallele setzt, mit seinem Verhältnis zu Nordafrika und zu den nördlichen Feinden der Osmanen93). Nicht nur in den Eroberungen und 92) Vergl. über Persien R. Grousset, Histoire de l’Asie, 3. Bd., 2. Aufl., Paris 1922, S. 164. 83) Wobei man z. B. im Reich vorsichtig war, ob nicht die Türken absichtlich falsche Nachrichten über Zwischenfälle und Kämpfe an der persischen Grenze in die Welt setzten, um das Abendland in Sicherheit zu wiegen. (Politische Correspondenz der Stadt Straßburg im Zeitalter der Reformation, 2. Bd. v. 0. Winckelmann, Straßburg 1887, Nr. 537, S. 511). 94) Friedensburg, 3. Bd., 1893, S. 354. 95) H. R. R o e rn e r, Der Niedergang Irans nach dem Tode Isma ils des Grausamen 1577—1581. Würzburg 1939, S. 90. 98) Wenn man sich die Lage Frankreichs zur Zeit Karls V. vor Augen hält wird man über dieses Bündnis milder urteilen. Legt man jedoch den Maßstab eines christlich-abendländischen Bewußtseins an politische Handlungen, so wird man die Versuche französischer Historiker (z. B. U r s u, S 27, Halphen- S a g n a c, S. 405, E. Lavisse-H. Lemonnier, Histoire de France, 5. Bd., 2. Teil, S. 78 f.), die Türkenpolitik mit dem Hinweis auf Karls V. Bemühungen um die Perser zu entschuldigen, als mißglückt bezeichnen müssen. Ein Perserbündnis hätte sich gegen die Osmanen und nicht gegen christliche Mächte gerichtet. 97) Vergl. dazu die Einleitung bei Schurhammer. Friedensburg, 8. Bd., 1898, S. 275 und 497. Browne, 4. Bd.,> S. 92 ff. 98) Patriarch Stephan von Armenien starb im Jahre 1551 auf der Reise zum Kaiser in Lemberg (freundliche Mitteilung von Dr. Nerses Akinian, Congr.