Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)
HAUPTMANN, Ferdinand: Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878–1881
190 Ferdinand Hauptmann 5. Der Handelsvertrag. a) Die Verhandlungen und ihr Scheitern. Die Verzögerung der Verhandlungen über den Handelsvertrag1), zu der sich Österreich aus inneren und äußeren Gründen gezwungen gesehen hatte, beeinträchtigte die österreichischen Interessen weit weniger als die serbischen. Österreich konnte den Handel mit Serbien weiterhin auf der bisherigen Basis betreiben, da der Berliner Kongreß die Änderung der handelspolitischen Lage Serbiens vom Abschlüsse neuer Verträge mit den daran beteiligten Mächten abhängig gemacht hatte2). Für Serbien dagegen gestaltete sich die Lage bedeutend schwieriger, weil Österreich ihm gegenüber nicht gebunden war, der serbische Außenhandel aber sich fast ausschließlich auf den Verkehr mit der Nachbarmonarchie beschränkte8). Da seine Ausfuhr überwiegend aus Vieh bestand, hatte Serbien das größte Interesse, zu einem Vertrage zu gelangen, der die Behinderung der Ausfuhr auf das tatsächlich Notwendige beschränken würde. Die Verhandlungen waren schon unmittelbar nach Mihajlos’ Tod in Gang gekommen, scheiterten aber 1869 an der Unnachgiebigkeit Serbiens, die Verzehrungssteuer gemäß den ungarischen Wünschen zu ermäßigen, und 1873/75 am Ausbruche der orientalischen Wirren 4). Nach dem Berliner Kongreß wurde in Serbien der ungeregelte Zustand besonders drückend empfunden, da Österreich einerseits seit 1. XI. 1878 die Schweineeinfuhr wegen der Pest eingestellt hatte, andererseits seit 1. I. 1879 der neue österreichisch-ungarische Zolltarif in Kraft getreten war, der eine namhafte Erhöhung des Schweinezolles brachte (von 1,05 fl. in Silber auf 2 fl. in Gold) 5). Die Skupstina und die serbische Kaufmannschaft forderten die Regierung auf, schleunigst Abhilfe zu schaffen, umso eher, als man nach dem Wortlaute der Berliner Konvention eine Erleichterung, keineswegs aber eine Behinderung der gegenseitigen Handelsbeziehungen erwartete6). Ristic bemühte sich, Österreich zu Aufnahme der Verhandlungen zu bewegen, und gab seiner Ansicht Ausdruck, daß den Handelsvertragsverhandlungen, im Gegensätze zu den Eisenbahnvertragsverhandlungen, nichts im Wege stünde, da hier Österreich und Serbien die alleinigen Unterhändler wären. „Wünscht nun die k. und k. Regierung mit Serbien vor allen übrigen Staaten einen Handelsvertrag abzuschließen, so steht es bei ihr, diesen ihren Wunsch in Erfüllung gehen zu sehen, da, wie ersichtlich, die fürstliche Regierung bereit ist, durch unverzüglichen Eintritt in die Verhandlungen bereitwilligst die Hand dazu zu bieten. Die fürstliche Regierung würde das umso williger tun, als eine weitere Verzögerung dieser Verhandlungen den Handel und Wohlstand des Landes, der schon durch die Epizootie, welche die Ausfuhr des Hornviehes und der Hornviehhäute verhindert, und durch die Einführung des allgemeinen österreichischungarischen Zolltarifes und die damit verbundene Mehrbelastung des ser-