Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)
HAUPTMANN, Ferdinand: Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878–1881
178 Ferdinand Hauptmann es auf der Ausführung der Strecke Nis—Pirot innerhalb von drei Jahren nicht bestand, sondern den Bau dieser Linie von der vorhergehenden Sicherstellung des bulgarischen Anschlusses abhängig machte210). Allerdings fehlte noch die Annahme des Vertrages durch die Skupstina, aber die schien nicht allzugroße Schwierigkeiten bereiten zu wollen. Der Konsul Anger, der sich darauf beschränkte, die Stimmung des Publikums zu verfolgen, fand noch Anfang Mai die Ansicht verbreitet, daß Ristic alles daransetze, um den Vertrag durchzubringen. Er schrieb die Wahlen für die Skupstina erst kurz vor deren Eröffnung aus, mobilisierte alle Regierungsabgeordneten und da man die Verhandlungen in der Skupstina nur auf 4—5 Tage anberaumte, hoffte er, daß die Opposition nicht Zeit finden werde, der Annahme ernste Schwierigkeiten zu bereiten217). Auch Herbert meldete Ende April von den zahlreichen Pensionierungen und Versetzungen in Heer und Verwaltung, wodurch Ristic seine Stellung zu stärken suchte218). Aber knapp vor dem Zusammentritt der Skupstina war Anger durch neue Nachrichten so beeindruckt, daß er jede Hoffnung auf einen günstigen Ausgang verlor. Die Schuld am eventuellen Mißerfolge schrieb er aber dann nur einem Manne — Ristic zu. „Wollte Gott, ich würde mich täuschen, ich wäre dessen sehr froh, aber ich ahne nichts Gutes. Es entspräche das Ganze so sehr dem Charakter Ristic’, daß man fast sagen könnte, es konnte ja nicht anders sein. Denn der Mann hat ja die Skupstina in der Hand und Alles was er wollte, hat er durchgesetzt. Setzt er den Eisenbahnvertrag nicht durch, so wollte er es eben nicht und hat wieder einmal mit uns ein unwürdiges Spiel getrieben. Er wird wohl demissioniren dann, er sagte dies wenigstens, aber was haben wir damit gewonnen? Die Parthei des Videlo, die Conservativen, sind ja noch entschiedenere Gegner der Bahn, mit denen wird uns nicht geholfen. Doch ich tröste mich mit dem Gedanken, daß uns das Zugreifen nach Serbien nicht verboten ist, so wie die Ausdehnung nach Saloniki, und dann werden wir die Bahn selbst bauen .'..“ 219). Abgesehen von der Schlußfolgerung, durchblickte Anger ganz richtig das Kräfteverhältnis zwischen Ristic und der Skupstina; eine dem parlamentarischen Leben noch nicht gewachsene Bauernversammlung war in ihren Beschlüssen von der Regierung stark abhängig. „Setzt er (Ristic) den Eisenbahnvertrag nicht durch, so -wollte er es eben nicht.“ Da der Vertrag entgegen den Befürchtungen Angers in der Skupstina aber dennoch angenommen wurde, schloß er daraus, „daß es dem Herrn Ristic diesmal sehr Ernst mit den eingegangenen Verpflichtungen“ sei 220). In Wien allerdings machte man sich keine Illusionen. Dort wußte man wohl, daß letzten Endes Ristic doch nur nachgegeben hatte, weil ihm am Handelsvertrag gelegen war, um sich von den Fesseln des österreichischen Zolltarifes von 1879 zu befreien, der Serbiens Außenhandel empfindlich schädigte. Der Handelsvertrag aber — darin blieb Haymerle fest — war erst nach dem Eisenbahn vertrag zu haben. Eine Zeitlang hatte