Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)

HAUPTMANN, Ferdinand: Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878–1881

158 Ferdinand Hauptmann einmal die Verhandlungen der österreichisch-ungarischen Konferenz be­schleunigt, die zu dieser Zeit die Grundlagen für die Handels- und Eisen­bahnvertragsverhandlungen mit Serbien vorzubereiten hatte. Die Konferenz vertagte sich vielmehr, weil auf den ersten Anlauf keine Übereinstimmung zwischen den beiden Reichshälften zustandegekommen war84). Das Ansehen der Monarchie litt darunter in bedenklichem Maße, wovon bald Angriffe in der serbischen Presse zeugten, an denen die offiziellen Kreise nicht unbe­teiligt schienen. Von der Zeitung „Istok“, die die Hetze gegen Österreich leitete, wußte man, daß sie „im Gerüche officiöser Verbindung mit der fürstlichen Regierung“ stand85), und Herbert brachte den serbischen Außenminister iin die größte Verlegenheit, als er ihm vorhielt, wie sehr der Gegensatz zwischen der sanften Kritik des „Istok“ an der Innenpolitik und seinen vehementen Ausfällen gegen die Monarchie auf bedenkliche Ab­hängigkeit von der Regierung hindeute86). Da diesmal Österreich scharf einschritt, lenkte der Gegenspieler sofort ein, prompt erschien die Ent­schuldigung bzw. Richtigstellung des fraglichen Artikels in Form einer Zeitungsnotiz. Österreich gab sich in solchen Fällen immer den Anschein, sich mit der stattgehabten serbischen Entschuldigung zu begnügen, was aber serbischer- seits nicht als Großmut, sondern als Schwäche aufgefaßt wurde. Demgemäß fing die Sache bald von neuem an. Ristic wußte ganz genau, wieviel er sich Österreich gegenüber erlauben durfte; er schätzte „die den serbischen Interessen abträglichen Consequenzen einer solchen Haltung“ nicht hoch ein 87). Die Methoden der serbischen Außenpolitik unter Ristic zeigten durch ihre Geschicklichkeit und Wendigkeit nur zu gut, daß er nicht umsonst in die angesehene Handelsfamilie der Haditomici eingeheiratet hatte88), so daß ihm gegenüber die Zurückhaltung Österreichs die Wirkung ver­fehlen mußte. Etwas Richtiges wird wohl an der Bemerkung des Konsuls Anger sein, daß auf den Belgrader Posten weder Wrede noch Herbert paßten, denn dahin gehöre ein Mann „der sich durch nichts aus der Fassung bringen läßt“ 89). Etwas von der Mentalität des Händlers in der Carsija färbte auch auf die Diplomatie ab. Der geschickte Ristic erkannte nur zu bald die Schwerfälligkeit der österreichischen Politik und suchte deshalb vom den Bestimmungen der Berliner Verträge im Interesse seines Landes in immer neuen Wendungen soviel wie nur möglich abzuhandeln. Was sich infolgedessen Serbien leisten konnte, das zeigte die Schreibart des „Istok“, der — einem Berichte Herberts zufolge — erklärte, für die Balkan­slaven sei nun Österreich an die Stelle der Türkei getreten. Jenes gefährde in Bosnien durch seine Bestrebungen, die Okkupation in Annexion um­zuwandeln, die Interessen der Bevölkerung ungleich stärker als es die ehemalige türkische Verwaltung getan hätte. Schon die Agrai’frage sei zugunsten der Begs und Großgrundbesitzer, nicht aber zugunsten des Volkes gelöst worden. Durch die Okkupation hätte Österreich die Slaven

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