Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)

HAUPTMANN, Ferdinand: Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878–1881

154 Ferdinand Hauptmann Durch ein eigenmächtiges Vorgehen Serbiens wäre aber dieser Vorteil Österreichs verloren gegangen. Deshalb die eindringlichen Mahnungen Andrássys an seinen serbischen Kollegen. Doch Ristic versicherte nur, daß er sich für Serbien mit dem bescheideneren Titel begnügen würde, wenn nicht das Vorbild Rumäniens bestünde0'); die Idee spukte deshalb weiter. Er selbst stellte die Möglichkeit in Aussicht, daß die Skupstina anläßlich der Kenntnisnahme des neuen Titels den Antrag stellen werde, sich in dieser Hinsicht nach dem Beispiel Rumäniens zu richten. Nur wollte Ristic jetzt die Pille versüßen, indem er vorschlug, daß der erhöhte Titel nur im Lande gelten sollte62). Nun wurde Andrássy klarer. Während er früher die serbische Regierung mehr auf die Schwierigkeiten aufmerksam ge­macht hatte, die die Großmächte einer solchen eigenmächtigen Rang­erhöhung entgegensetzen würden, beauftragte er im Dezember seinen neuen Vertreter in Belgrad, Freiherm von Herbert, dem serbischen Außen­minister in freundschaftlicher Weise zu betonen, daß Österreich gegen den Königstitel sei und es deshalb nicht ratsam sei, durch Beharren und Halsstarrigkeit sich unnütze Schwierigkeiten zu bereiten, da allem An­scheine nach auch die übrigen Mächte den gleichen Standpunkt vertreten °3). Obwohl Andrássy eigenhändig hinzugefügt hatte, Herbert solle nicht soweit gehen, einen Aufschub der Sache anzuregen, hielt es dieser anscheinend in Anbetracht des zähen Widerstandes doch für angezeigt, anzuempfehlen, der serbische Außenminister möge „unter allen Umständen wenigstens einen Aufschub in der Sache eintreten und vorderhand es zu keinem Beschlüsse kommen lassen.“ Die Bedeutung, die man ser- bischerseits der Sache beimaß, erhellt folgende Szene: Als Herbert dem Stellvertreter des Außenministers die Folgen des serbischen Standpunktes vor Augen hielt, daß sich möglicherweise dann auch Montenegro bewogen fühlen werde, den Königstitel anzunehmen „...widersprach (der Stell­vertreter) lebhaft und meinte, dies wäre nicht möglich, weil... ein Land mit so geringer Ausdehnung und Bevölkerung wie Montenegro nicht die Elemente besitzt, die es berechtigen würden einen Schritt zu thun, um das Königthum vorzubereiten“ °4). Bewogen durch die eindringlichen Mahnungen Österreichs ließ Ristic dann doch in der Skupstina gegen einen solchen Antrag arbeiten und zwar mit vollem Erfolg, wie er es nach der Rückkehr aus Nis, dem Orte der Skupstina-Tagung, Herbert gegenüber betonen konnte. Er mußte aber sogleich eine neue beunruhigende Wahrnehmung hinzufügen, daß nach sei­nen Informationen Rumänien bei der Türkei und den Großmächten dahin arbeite, um die Zustimmung zur Umwandlung in ein Königreich zu erlangen. Im Falle eines Erfolges dieser Versuche, besonders aber, wenn Österreich im Widerspruch mit dem in der serbischen Angelegenheit eingenommenen Standpunkt den Rumänen seine Zustimmung erteilen würde, könnte die serbische Regierung dem Drängen der eigenen Leute in der Nachahmung des gleichen Schrittes nicht standhalten65).

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