Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)

HAUPTMANN, Ferdinand: Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878–1881

132 Ferdinand Hauptmann Zwecke hat... Wir haben daher auch heute nicht die Absicht, gegen einen Gebietszuwachs für Serbien und Montenegro im allgemeinen Bedenken zu erheben. Was wir jedoch wünschen müssen, ist, daß diese Vergrößerungen nicht in solchem Maße und in solcher Richtung erfolgen, welche unserem Handel und unserer natürlichen Verbindung mit dem Oriente die Wege zu verschließen und statt eines dauernden friedlichen Zustandes den Keim neuer Verwicklungen zu schaffen geeignet wäre“ 9). Das Ziel der österreichischen Orientpolitik bestand daher, wie Andrássy zur Zeit der bulgarischen Unionskrise schrieb, in der Entwicklung der einzelnen „Volkspersönlichkeiten“, um dem russisch-panslavistischen Ein­fluß bei den Südslaven entgegenzuwirken 10), aber diese Förderung und Unterstützung war doch so eng begrenzt, daß auf dem nationalen Gebiete Österreich-Ungarn den Serben eigentlich nicht viel bieten konnte, wohl aber war vielleicht eine Kompensation auf wirtschaftlichem Gebiete durch weitgehende Zugeständnisse an die serbische Ausfuhr möglich. Serbien hatte als Agrarland Produkte, die unter den damaligen Ver­kehrsverhältnissen — keine Eisenbahnen und wenige Straßen — nicht weithin transportiert werden konnten. Die Nachbarländer Rumänien, Bul­garien, Makedonien und Bosnien, die wegen der Nähe als Käufer in Betracht gekommen wären, hatten selbst die ziemlich gleiche wirtschaftliche Struk­tur. Somit blieb der Warenaustausch mit diesen Ländern auf ganz unbe­deutende Mengen beschränkt. Der fast ausschließliche Abnehmer der serbischen Produkte, sowie der größte Lieferant nach Serbien war unter diesen Umständen nur Österreich-Ungarn u). Auf dieser Grundlage, besonders was die Regelung und Erleichterung der serbischen Viehausfuhr betraf, die zeitweise unter veterinären Maß­nahmen und Schikanen zu leiden hatte, ließen sich auch für Serbien wert­volle Abmachungen schließen. Aber verfügte Österreich-Ungarn selbst hier über eine unbeschränkte Handlungsfreiheit? Bei Handelsverhandlungen und -Verträgen trat es zwar als einiger Staat auf, vertreten durch den Außenminister. Das konnte aber nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, daß die Monarchie gemäß ihrer dualistischen Staatsform auch zwei handelspolitische Spitzen hatte. Jeder Vertrag mit einem dritten Staate war deshalb nicht nur ein Kompromiß zwischen Österreich-Ungarn und dem betreffenden Staate, sondern auch zwischen der Handelspolitik Österreichs und Ungarns. Und dieser letztere Ausgleich war umso schwieriger, als die Struktur beider Reichshälften sehr ver­schieden war. Die ständig wachsende Differenzierung der wirtschaftlichen Interessen beider Reichshälften brachte es mit sich, daß eine gemeinsame, übereinstimmende Zoll- und Handelspolitik immer schwieriger zustandekam. Was Ungarn betraf, so war es bis Ende der 70er Jahre absolut dem Freihandel ergeben. Es setzte seine Produkte in der westlichen Reichs­hälfte ab, ferner hauptsächlich in Deutschland, und den Weg über dieses nehmend, im Westen und in der Schweiz. Die schutzzöllnerischen Bestre­

Next

/
Thumbnails
Contents