Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 4. (1951)
SANTIFALLER, Leo: Die älteste Originalurkunde des Österreichischen Staatsarchivs
Die älteste Originalurkunde des Österreichischen Staatsarchivs 45 die Befreiung von Steuern, öffentlichen Abgaben und öffentlichen Diensten. Diese Immunität besaßen in spätrömischer Zeit die kaiserlichen Domänen. Durch kaiserliches Privileg konnte diese Immunität ganz oder teilweise auch auf die Besitzungen von Untertanen übertragen werden, und endlich erstreckte sich seit dem 4. und besonders bis in die Mitte des 5. Jahrhunderts die Immunität auf alle Kirchengüter. Und wenn auch diese Kirchenimmunität in der Mitte des 5. Jahrhunderts, in einer Zeit großer Not, zeitweise aufgehoben wurde, so lebte sie im 6. Jahrhundert unter Justinian wieder auf. Die Pächter und Kolonen auf den kaiserlichen Domänen bzw. auf den Immunitäten bekamen allmählich zu ihrer Befreiung von Steuern und Leistungen auch eine Sonderstellung in Hinsicht auf die niedere und Zivilgerichtsbarkeit; doch lag dies nicht im Wesen der Immunität. Seit dem 6. Jahrhundert findet sich nun die Immunität auch im fränkischen Reiche, u. zw. als Befreiung von öffentlichen Abgaben und Leistungen, aber auch bereits als gerichtliche Sonderstellung der auf dem Gebiete der Immunität ansässigen Leute. Der Immunität teilhaftig war zunächst das Königsgut, und da liegt jedenfalls das Vorbild der kaiserlich-römischen Immunität für den kaiserlichen Domänenbesitz vor. Seit Chlodwigs Übertritt zum römischen Christentum haben aber, ebenfalls nach römischem Vorbild, zahlreiche Kirchen für den Bereich ihres Grundbesitzes die Immunität erworben. Zwar waren nach fränkischem Reichsrecht grundsätzlich alles Kirchengut und die darauf ansässigen Leute den gewöhnlichen Staatslasten und der öffentlichen Gerichtsbarkeit unterworfen; eine Befreiung von diesen Abgaben und Pflichten war aber durch Immunität möglich. Und diese konnte die Kirche als eine besondere Gunst des Königs erlangen. Die Verleihung der Immunität erfolgte, häufig auf Bitte, durch königliches Diplom. Diese Verleihungen häuften sich, und unter Ludwig d. Fr. sind bereits die meisten größeren Kirchen im Besitz der Immunität. Die alte römische Immunität schloß in ihrem Wesen nur die Freiheit von öffentlichen Abgaben und Leistungen in sich. Die I. S. 382 ff.; Stolz, Otto: Das Wesen der Grafschaft im Raume Oberbayem—Tirol— Salzburg. In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 15, 1949, S. 68—109; Santifaller, Leo: 1100 Jahre Österreichische und Europäische Geschichte in Urkunden und Dokumenten des Haus-, Hof- und Staatsarchivs (Publikationen des Österreichischen Staatsarchivs. Herausgegeben von der Generaldirektion. I. Serie: Faksimile-Werke: I. Band), Wien 1949, S. 3, Vorbemerkung zu Urk. n. 1; Stolz, Otto: Grundriß der österreichischen Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Innsbruck 1951, S. 77 ff.