Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 4. (1951)

SANTIFALLER, Leo: Die älteste Originalurkunde des Österreichischen Staatsarchivs

Die älteste Originalurkunde des Österreichischen Staatsarchivs 41 der Beurkundung verschiedene und dieser zeitlich vorangehende formale Handlung oder Investitur, wie dies etwa hei gewissen Verleihungen der Fall war, hat bei unserer Urkunde, bei der es sich um eine Bestätigung handelte, wahrscheinlich nicht stattgefunden, wenn sie auch nicht völlig ausgeschlossen ist1). Jedenfalls erfolgte alsbald der Beurkundungsbefehl des Königs, dessen bis um die Mitte des 9. Jahrhunderts in tironischen Noten der Karolinger Diplome häufig, allerdings nicht in unserer Urkunde, Erwähnung getan wird 2). Wir erfahren daraus, daß der Beurkundungsbefehl oft vom König unmittelbar, häufig aber auch durch Mittelspersonen, so etwa durch den Erzkaplan oder durch andere Hofleute, gegeben wurde. Der Befehl wurde wohl in der Regel an den Kanzleichef oder an den leitenden Notar, in unserem Falle also wahrscheinlich an Durandus übermittelt, der dann die Herstellung der Urkunde durch seine Untergebenen zu veranlassen hatte. Nun erfolgte die Herstellung des Konzeptes 3), sofern überhaupt ein solches angefertigt wurde. Aus der Karolingerzeit ist uns ein Dorsualkonzept überliefert: auf der Rückseite des Diploms Karls d. Gr. n. 116 von 777 ist in tironischen Noten der Entwurf für eine Freilassungsurkunde angebracht, der mit Hilfe der Formulare leicht zu einem vollen Diplom ausgestaltet werden konnte. Weitere Dorsualkonzepte sind nicht bekannt, sie müssen daher zu den Aus­nahmsfällen gezählt werden. Dagegen sind Marginalkonzepte in der Kanzlei der ersten Karolinger häufig verwendet worden. Tangl konnte feststellen, daß der obere Rand des Pergaments bei fast allen Urkunden Karls d. Gr. und bei der Mehrzahl jener Ludwigs d. Fr. beschnitten ist; aller Wahrscheinlichkeit nach waren den oberen Rand entlang konzeptartige Aufzeichnungen geschrieben, die nach der Herstellung der Reinschrift entfernt wurden4). Derartige Marginalkonzepte haben sich noch in St. Gallener Privaturkunden dieser Zeit erhalten. Alle diese Dorsual- und Marginalkonzepte sind *) Vgl. Bresslau, UL. 2, S. 73 f. 2) Vgl. Bresslau, UL. 2, S. 94 ff. 3) Vgl. Bresslau, UL. 2, S. 131 ff.; Tangl, M.: Forschungen zu Karol. Diplomen. In: Arch. f. Urkundenforschung, Leipzig, Bd. 2, (1909), S. 184 f.; Zatschek, Heinz: Studien zu mittelalterlichen Urkunden, Konzept, Register und Briefsammlung. Brünn 1929, S. 5 ff. 4) Tangl, a. a. O., S. 186. — Aus der Kanzlei Ludwigs d. Fr. führt Tangl, a. a. O., S. 185, N. 1 folgende Urkunden an: Kaiserurk. in Abbildungen. Lfg. 1, Tafel 6 und Lfg. 3, Tafel 5—7 und Diplomi imp. e reali Tafel 3—5; an diesen ist die Beschneidung sichtbar.

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