Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 3. (1950) – Leo Santifaller Festschrift
NECK, Rudolf: Andrea Negroni. Ein Beitrag zur Geschichte der österreichisch-türkischen Beziehungen nach dem Frieden von Zsitvatorok
Andrea Negroni 195 den nächsten Jahren findet sich nichts mehr über seine Nachkommen. Es ist auch unwahrscheinlich, daß die in den Jahren 1628 bis 1634 in Erbschaftsstreitigkeiten verwickelte Familie Negroni mit dem ehemaligen Gesandten verwandt war 1). Die Frage über Negronis Schuld wurde damals nicht geklärt und ist auch heute nicht ohne weiteres zu lösen. Zweifellos hat er der Sache Österreichs durch seine leichtsinnigen Exzesse und seine eitle Geschwätzigkeit oft geschadet. Gewisse Erscheinungen von Korruption waren jedoch in der damaligen Zeit begründet. Auch war Negroni für seine Reise von Wien mit ungenügenden Mitteln versehen worden. Eines direkten Verrates konnte er auch in bezug auf die falsche Ratifikation nicht überwiesen werden. Es scheint aber, daß man ihn nicht nur für die Fehler der Unterhändler von Zsitvatorok zum Sündenbock machen wollte, sondern auch für alle Mißverständnisse der beiden Staaten. Als Gesandter in Konstantinopel mußte er notwendigerweise trachten, mit den regierenden Persönlichkeiten in gutem Einvernehmen zu stehen. Als dann an der Pforte der Umschwung eintrat, wandten sich die neuen Männer gegen ihn. Die Einbeziehung türkischer Staatsmänner verlieh dem Verfahren gegen ihn ein besonderes Gepräge. An sich hat die Affäre Negroni nur episodenhafte Bedeutung und wirft ein bezeichnendes Licht auf eine Zeit, in der das Verhältnis der beiden Staaten auf eine neue Grundlage gestellt wurde. Sie gab aber den Anstoß zu einer Entwicklung, die weit über den Bereich der politischen Geschichte hinausging. In der Erkenntnis der Notwendigkeit, für den kaiserlichen Dienst künftighin zuverlässigere Dolmetscher in orientalischen Sprachen zur Verfügung zu haben, beschloß damals Kiesi über Anregung Mollarts, die schon von anderen Staaten vorgebildete Institution der Sprachknaben auch für Österreich systematisch auszubauen und fortan ständig zwei junge und begabte Männer aus den österreichischen Ländern an der Gesandtschaft in Konstantinopel zur Erlernung der Sprache und zur Ausbildung im diplomatischen Verkehr mit der Pforte zu halten2). Diese Einrichtung hat später auf die Orientalische Akademie und damit auf Hammer-Purgstall und die moderne Orientalistik weitergewirkt. *) *) Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Jesuiten Coll. acad., Fasz. 22, 24 f., vgl. auch Hofkammerarchiv, Familienakten r. f 39 und Hoffinanz 1615. 2) Mollart an Khlesl, 1615 November 30. Türkei I, Fasz. 53 b. vg. Hammer- Purgstall, Khlesls Leben, 3. Bd., S. 166, Anm.