Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 3. (1950) – Leo Santifaller Festschrift

NECK, Rudolf: Andrea Negroni. Ein Beitrag zur Geschichte der österreichisch-türkischen Beziehungen nach dem Frieden von Zsitvatorok

Andrea Negroni 167 Es gehörte mit zum Wesen des alten Militärstaates der Osmanen, die als Nomaden in leeren Räumen und beweglichen Völkermassen dachten x), keine feststehenden Grenzen anzuerkennen, sondern die unmittelbar benachbarten Grenzgebiete auch in Zeiten, in denen formell kein Kriegszustand bestand, durch fortgesetzte kleinere Über­fälle auf Befestigungsanlagen und insbesondere durch Erkundungs­und Beutezüge in das offene Land des Nachbarn in Atem zu halten. Ein weiterer Grund anhaltender Reibungen lag in den verschiedenen Steuersystemen der beiden Gegner, im türkischen Defter und in der mit Zähigkeit bewahrten ungarischen Komitatsverfassung 2). Dem­zufolge gab es im königlichen Ungarn Gebiete, von denen die Türken Steuern beanspruchten; andererseits wurden auch von Grundherren des königlichen Ungarn in gewissen, auf türkischem Gebiet gelegenen Ortschaften Abgaben und Dienstleistungen eingefordert. Solche Ansprüche ließen sich natürlich immer nur unter Anwendung von Gewalt durchsetzen. Dieses Problem der „gemeinsamen Dörfer“, das späterhin sogar in die Formen zwischenstaatlichen Rechtes ge­kleidet werden sollte, bildete den Anlaß zu immer neuen kriegerischen Verwicklungen und war auch die Ursache einer unsäglichen Ver­elendung der davon betroffenen Grenzbevölkerung. Die ersten Maß­nahmen zur Errichtung der Militärgrenze konnten auch nicht ver­hindern, daß der größte Teil des sechzehnten Jahrhunderts für die österreichischen Länder — nur zeitweise gemildert durch die Ver­wicklungen der Türkei an ihren asiatischen Fronten — mit aufreibenden Kämpfen gegen den „Erbfeind“ erfüllt war. Die Lage war um so gefährlicher, als sich die Habsburger zur gleichen Zeit in ihren eigenen Erbländern und im Reich in den allgemeinen Glaubenskampf mit den ständischen Mächten verwickelt sahen. Erst nach dem Tode des großen Sülejman war in den Beziehungen Österreichs zur Pforte eine längere Ruhepause eingetreten. Der Friede, oder besser Waffenstillstand, von Adrianopel war zweimal um acht Jahre verlängert worden und ein jährliches „Ehrengeschenk“ von 30.000 Gulden konnte über zwanzig Jahre lang die türkische Er­oberungslust zügeln. Diese Wandlung war nicht zuletzt auf die Ver­änderungen im Inneren des osmanischen Reiches, die physische De­') Braun M., Die Slawen auf dem Balkan. Leipzig 1941, S. 128. 2) Vgl. dazu Hammer J. v., Des osmanischen Reiches Staatsverfassung und Staatsverwaltung. 1. Bd., Wien 1815, S. 335. Domanovszky A., Die Geschichte Ungarns. Leipzig 1923, S. 185 ff. Fekete L., Türkische Schriften aus dem Archive des Palatins Nikolaus Esterházy. Budapest 1932, S. XXX ff.

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