Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 1. (1948)

MAASS, Ferdinand: Vorbereitung und Anfänge des Josefinismus im amtlichen Schriftwechsel des Staatskanzlers Fürsten von Kaunitz-Rittberg mit seinem bevollmächtigten Minister beim Governo generale der österreichischen Lombardei, Karl Grafen von Firmian, 1763 bis 1770

310 Ferdinand Maaß liehe Befehl vom 3. Februar 1766, daß alle nach 1716 erworbenen Kirchengüter einer verhältnismäßig hohen Steuer unterliegen sollten, die im Falle der Notwendigkeit auch im Wege des Zwangsverkaufes hereingebracht werden mußte. Selbstverständlich sollten dann von nun an auch die strengen Gesetze gegen den Erwerb liegender Güter aufs genaueste beobachtet werden x). In diesem Zusammenhang darf wohl auch darauf hingewiesen werden, daß es gerade dieser Admini­strator des mailändischen Staates gewesen war, der sich durch sein brutales Vorgehen in der Kirchengüterfrage in seinen eigenen Staaten die besondere Anerkennung Graf Firmians schon vor drei Jahren verdient hatte 1 2). Am 3. Februar des Jahres 1766 hatte Kaunitz ein anderes wichtiges Schreiben an den Statthalter gerichtet, in welchem er ihn mit Bezug­nahme auf die Wiener Besprechungen ersuchte, in Rom durch einen geeigneten Mittelsmann Verhandlungen einzuleiten, daß die öster­reichische Geistlichkeit anstatt der bisherigen Erbschafts- und Schulden­steuer die wirklichen päpstlichen Zehenten an den Staat entrichten sollte. Dieses Verlangen wurde in erster Linie mit der Gefahr, die der katholischen Sache durch die Preußen und Türken drohte, begründet; aber die Direktivpunkte3) für den Unterhändler, die schon seit einem halben Jahr bereit lagen, verraten uns nur zu deutlich, daß auch in diesem Falle der staatliche Verhandlungspartner dem Papste wenig mehr als die Ehre des Ja-sagens zuerkennen wollte, weil das Besteuerungs­recht dem Fürsten allen Untertanen gegenüber ohne Ausnahme zu­stehe und daher auch für den Klerus nicht an die Zustimmung des Papstes gebunden sei. Da es sich aber bei den in Frage stehenden Zehenten um riesige Summen handelte, machte der päpstliche Staats­sekretär geltend, daß auch die Bischöfe der Monarchie von den Ver­handlungen in Kenntnis gesetzt werden müßten 4). Dieses Ansinnen, dem der staatliche Unterhändler die Absicht unterschob 5), die Ver­handlungen entweder erschweren oder in die Länge ziehen zu wollen, nahm Kaunitz zum Vorwand, die Angelegenheit nicht weiter zu betreiben 6), 1) KF, 20. November 1766. 2) FK, 28. Jänner 1764. 3) KF, 3. Februar 1766, Anmerkung 1. 4) FK, 6. Mai 1766. s) 1. cit. 6) Vortrag des Fürsten an die Kaiserin, am 26. Februar 1768. Staatsarchiv, Staatskanzlei, Ah. Vorträge 1768.

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