Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 1. (1948)

SEIDL, Jakob: Das Österreichische Staatsarchiv

8 Jakob Seidl richtsarchiv von rund 4000 auf rund 16.000. Diese Zuwächse um­fassen die Jahre 1848 bis 1940. Wenn wir die gewaltige Aktenmasse überblicken, die dem Reichs­archiv Wien dadurch zugewachsen ist, müssen wir feststellen, daß es sich, von wenigen Ausnahmen, wie dem Archiv des Deutschen Ritter­ordens abgesehen, ausschließlich um jüngere Bestände handelt. Manche derselben sind bereits vor 1938, andere, vor allem Teile der Akten des Finanzministeriums, unmittelbar vor der Abgabe an das Reichsarchiv Wien einer eingehenden Ausmusterung unterzogen worden, manche aber mußten ohne vorhergegangene Ausscheidung übernommen werden. Diese für ein Archiv, das ja neben seiner Aufgabe als Hilfsamt der Verwaltung in erster Linie eine wissenschaftliche Anstalt zu sein hat, außergewöhnliche Tatsache, daß es auch Akten der neuesten Zeit zu verwalten hat, fiel in der Zeit von 1938 bis 1945 nicht so sehr ins Gewicht, da in dieser Zeit die Verwaltung österreichische Akten in den seltensten Fällen benötigte; heute stellt sie eine schwere Belastung dar, zumal aus Ersparungsgründen der Beamtenstand auf mehr als die Hälfte des Standes von 1938 herabgesetzt werden mußte. Es ist daher sehr zu begrüßen, daß seit 1945 an das Unterrichtsministerium und das Justizministerium wieder die jüngeren Akten zurückgegeben werden. Ebenso wurden an das Finanzministerium die seit 1918 erwachsenen Bestände zurückgestellt. Auch die Präsidentschafts­kanzlei hat bereits ihre Akten übernommen. Durch die Gründung des Reichsarchivs Wien, zu dessen Leiter der Direktor des Haus-, Hof- und Staatsarchivs bestellt wurde, wurde ein Archiv geschaffen, das, wenn auch nicht räumlich vereinigt, sowohl dem Inhalt seiner Bestände als auch nach dem Umfang — es erreichte eine Stellenlänge von etwa 80 km — zu den wichtigsten und größten Archiven der Welt gezählt werden muß. Durch die unmittelbare Unterstellung unter ein Reichsministerium in Berlin konnte es sich eine gewisse Selbständigkeit bewahren, so daß die einzelnen österreichischen Zentral­archive, die als fünf Abteilungen — Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Staatsarchiv des Innern und der Justiz, Hofkammerarchiv, Finanz- archiv und Unterrichtsarchiv — weiterhin bestehen blieben, den Dienstbetrieb nach den österreichischen Vorschriften weiterführen konnten und so das Reichsarchiv Wien auch während der Zeit, als es einer Berliner Zentralstelle unterstand, sich seines internationalen Ansehens erfreute und bis Kriegsausbruch ständig von Ausländern, sogar von solchen aus Übersee, benützt wurde. Ebenso ging die Teil­

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