Ludwig Fekete: Einführung in die Osmanisch-Türkische Diplomatik der Türkischen Botmässigkeit in Ungarn (Budapest, 1926)

PALÄOGRAPHISCHER TEIL

Reine, klassische Beispiele der Schrifttypen 1 finden sich nur in den mit Kunst und Liebe ausgestellten Prachtkodexen, in den Levhäs und Inschriften, die für Reiche, ev. auf Bestellung hergestellt wurden. Der grösste Teil der Kodex­schreiber war mit der einfachen Wiedergabe zu­frieden. Freilich auch sie begannen ihr Werk in klassischen Formen, bald ermüdet gehen sie aber in eine üblichere und weniger ermüdende Schreib­weise über. Verhältnismässig wenige Abschreiber sind imstande, die Reinheit des Typus durch einen ganzen Kodex zu bewahren. Bei der Ausstellung von Urkunden ging man meist noch weniger sorgfältig zu Werke. Abge* sehen von einigen, als Ausnahmen zu betrachten­den Fällen ist es deutlich, dass das Schreiben von Urkunden als Alltagsarbeit angesehen wurde. Die klassischen Schriftarten pflegen sich mit den leich­teren Formen zu berühren oder gar zu vermengen: der Divänltypus mit Nesih, der Tallktypus mit Diväni und Nesih u. s. w.* Die Zahl- Die Zahlzeichen (jakm J>j, pl. erkäm ^6j\) bil­zeichen. den eine besondere Gruppe neben den Buchstaben. Schon die Araber wussten, dass sie die Zif­fern, die nach ihnen benannt sind, gegen Ende des 8. Jfrdts von den Indern gelernt hatten. Am Ende des Mittelalters ist von den ara­bischen Ziffern 3 nur die Null, Vier und Fünf von den heutigen verschieden. Nie Null hatte die in Europa heimisch gewordene Kreisform; auf Münzen Mehmeds II. vom Jahre 880 (— a. D. 1475/6) und Bäjazids II. vom Jahre 903 (= a. D. 1497/8) finden wir sie in der alten, der europäi­schen ähnlichen Form. Die Vier schwankt etwas 1 Die klassischen Proben einiger Schriftarten sind zu finden bei: Silvestre de Sacy: Grammaire arabe (Seconde edi­tion, Tome I. Paris, MDCCCXXXI), Karl Faulmann: Illustrierte Geschichte der Schrift (Wien—Pest—Leipzig, 1880.), Jeh­litschka: Türkische Grammatik (Heidelberg, 1895.), Kunos Ignac (Ignaz Kunos): Janua Linguae Ottomanicae (Budapest, 1905.), Moritz: Arabic Palaeography (Cairo, 1905.), Clement Huart: Les Calligraphistes et Ies Miniaturistes de l'Orient (Paris, 1908.), Sebastian Beck: Neupersische Konversations­Grammatik (Heidelberg, 1914.), Encyclopaedie des Islam (nach S. 400. des I. Bds I—X. Tafeln) und H. Jensen; Geschichte der Schrift (Hannover, 1925.). 2 Gemischte Verwendung der verschiedenen Typen, be­zweckt eine Abstufung der Feierlichkeit (s. S. XXII.). 3 Das Wort Ziffer kommt aus dem Arabischen slfr weniger. Die neue Fünf hat sich durch das umge­kehrte B (8) und die Herzform (O) zur jetzigen Gestalt entwickelt. Die Natur der osmanlitürkischen Sprache und die Richtung der arabischen Schrift hätten glei­cherweise gefordert, die Ziffern in der der Aus­sprache entsprechenden Reihenfolge, von rechts nach links, zu schreiben, aber unter dem Einfluss der Araber hat man die arabische Reihenfolge der Ziffern übernommen. 1 Nur die Ziffern des Sijäkattypus schrieben sie von rechts nach links, vermutlich weil deren Formen Verstümmelungen von Buchstaben sind. 2 Im Text der Urkunden schrieb man die Zah- Die Schreibung len lieber in Buchstaben als in Ziffern. Auch bei der Zahlen der Datierung zog man diese Bezeichnungsweise Buchstaben. vor. Umsomehr Ziffern erscheinen dafür in den verschiedenen Defters, bald allein, bald in Buch­staben oder Sijäkatzeichen wiederholt. Die Kardinalzahlen 3 erhalten die Bedeutung von Ordinalzahlen nur durch ein Suffix (... ndzi ^ ... \.. ster). Das Verfahren in den westli­chen Sprachen, wodurch ein der Kardinalzahl nachgesetzter Punkt (z. Bsp. 5. = der fünfte) die­ser Ordinalbedeutung gibt, und auch die Leichtig­keit, die vom Brauch der römischen Zahlzeichen herkommt (z. Bsp. //. Band = 'zweiter Band'), ist im Türkischen unbekannt. Zur Bezeichnung der vier Spezies hatten sie keine Zeichen. Bei der Division trennten sie Divi­dend und Divisor durch einen geschweiften Strich, 1 Beck, 15. — Auf den Münzen der Osmanlitürken findet sich gelegentlich (z. Bsp. im Jahre 878 = a. D. 1473/4) die naturgemässe- Reihenfolge, doch ist dies nur eine Wirkung der Ungewohnheit, mit negativen Klischcs umzugehen. Das Spiegelbild zeigt, dass man die arabische Sehreibweise befolgen wollte (Halll Edhem, 86.). 2 Beck, 432. * Im Osmanlitürkischen ist Tausend {bin .iL) die höchste mit einem eigenen Wurzelzahlwort ausgedrückte Einheit. Grössere Summen wurden durch Zusammensetzung oder Mul­tiplikation ausgedrückt: c hunderttausend 5 &4JJL, achthundert­tausend: ^>jy.*/j<- Cachtmalhunderttausend 3 ), eine Million: -iL. *f iL» ( c tausendmaltausend 5 ). Geldsummen wurden nach Bedarf in grösseren Geldsorten ausgedrückt, auch wenn dann verschiedene Wertbenennungen zusammenkamen: 21 jük und 40,000 Goldstücke: ö>JT iL. 3J 4>i £y j ^Ji. Als Bindewort dient dahi <j-j ( c plus, und 3 ), gegebenenfalls wiederholt: c acht­undvierzigmal hunderttausend und neunundfünfzigtausendvier­hundert Akce: «i-T jy_ OJJ JJL j^ät ¿11 iL» jy e/ 3J. (Wien, St. A. Turcica, Urkunden 1597.)

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