Franciscus Dőry: Decreta Regni Hungariae : Gesetze und Verordnungen Ungarns 1301–1457 (Magyar Országos Levéltár kiadványai, II. Forráskiadványok 11. Budapest, 1976)
Einleitung
konnte der König nicht nur bei den Verhandlungen Zugeständnisse für Zugeständnisse verlangen, sondern auch die ihm genehmen Änderungen am endgültigen Text durch dieses Schreiborgan ausführen lassen. Ein gutes Beispiel für eine solche Modifizierung ist das Gesetz von Temesvár vom Oktober 1397. Der Reichstag wünschte offensichtlich die Erneuerung der Goldenen Bulle, der König drängte auf militärische und finanzielle Reformen. Als Ergebnis des Kompromisses wurde der teils kaum mehr verständliche Text von 1222 in das neue Dekret eingearbeitet, wobei außer den veralteten Teilen auch das Widerstandsrecht (ius resistendi) weggelassen wurde! Da das Dekret vollständig in einer königlichen Urkunde erschien, konnte nachträglich niemand mehr an den veröffentlichten Text rühren. Da sich in dieser Periode kein einheitlicher Begriff des Dekrets entwickelte, hatte es nicht einmal einen allgemein anerkannten Namen. Die Bezeichnung des Gesetzes statútum seu decretum (um 1320) blieb auch späterhin gültig. Der Akt der Verfügung wird in den Rechtsregeln von Karl I. mit dem Verb statuere ausgedrückt, andererseits heißt der Befehl zur Durchführungedictum regium. Neben diesen Worten nennt sich das sehr anspruchsvolle Gesetz vom 8. März 1435 „constitutiones, statuta et leges perpetuo durature", um die Mitte des Jahrhunderts bahnt sich dagegen der bescheidenere Name articuli seinen Weg, allenfalls mit dem Hinweis auf den Gesetzescharakter: articuli decretati (1447). In den Rechtsregeln in Form von Anweisungen, treten natürlich die Worte edictum und mandamus in den Vordergrund (31. August 1405, 20. Januar 1407, 23. Juli und 3. September 1421). Eine gesonderte Klausel kommt zu einigen Gesetzen um die Mitte des 15. Jahrhunderts, deren Einhaltung nunmehr nicht nur die oberste Staatsgewalt, sondern auch die an deren Erlassung beteiligten Stände garantieren (29. Mai 1439, 18. April 1444, 7. Mai 1445). Alle diese Variationen kommen auch in der Urkundenform zum Ausdruck. Das Dekret erscheint in äußerst unterschiedlicher Gestalt, eine besondere dekretale Form gibt es jedoch nicht. Der Wille der Staatsgewalt allgemeiner Geltung wird in der typischen Urkundenform, dem Privileg oder Patent zum Ausdruck gebracht. Ein Uberblick über die Periode zeigt, daß die Rechtsregeln, die die Freiheiten des Adels zum Inhalt haben bzw. solche gewähren, in die Form des vollwertigen Privilegs gekleidet werden. Den Originalexemplaren der Dekrete von 1351,1384 und 1435 ist áassigillum duplex authenticum angehängt und diese geben auch die Würdenreihe. Das Dekret vom 29. Mai 1439, gleichfalls mit dem Charakter eines Freiheitsbriefes, trägt jedoch dieses Siegel nicht und wird lediglich durch ein sigillum secretum bestätigt. Die anderen, bis zu Sigismunds Tode erlassenen Gesetze haben — soweit wir ihr Original kennen - die Urkundenform des Patentes. In den 1440 beginnenden „unsicheren Zeiten" ist die Form weiterhin privilegial (1440, 1444), doch fehlt die Würdenreihe. Die natürliche Bestätigung der Gesetze des Interregnums stellt das Landessiegel (sigillum universitatis regni Hungarie) dar, um der größeren Sicherheit halber bringen jedoch auch die Anwesenden ihre Siegel an der Urkunde an, zumindest wird es im Text berichtet (1444,1445). Es ist auffallend, daß Hunyadi das Dekret vom 13. Juni 1446 mit seinem Woiwodensiegel versieht, das vor allem sein Versprechen enthält, die Schranken seiner Macht zu achten. Ladislaus V. versieht sein Dekret von 1453 wiederum nur mit dem Geheimsiegel, weil er kein großes Siegel hatte. Eine Aufzählung der Würdenträger ist nach 1435 nirgends mehr zu finden; statt dessen