Franciscus Dőry: Decreta Regni Hungariae : Gesetze und Verordnungen Ungarns 1301–1457 (Magyar Országos Levéltár kiadványai, II. Forráskiadványok 11. Budapest, 1976)
Einleitung
eine gewisse Hierarchie herausgebildet, an deren Spitze die Sicherung der „Freiheiten" stand. Ihre Überlieferung können wir zweieinhalb Jahrhunderte hindurch verfolgen. Die für die „servientes regjs", die bedeutendste Komponente des späteren mittleren und niederen Adels erlassene berühmte Goldene .Bulle von 1222 38 wurde von König Ludwig I. nach der erfolgreichen Beendigung des Feldzuges von Neapel 1351 auf dem Reichstag auf Ersuchen „baronum necnon procerum et nobilium regni nosrri cetus et universitatis ydemptitas" erneuert und erweitert. Nach seinem Tode hat seine Tochter Maria am 22. Juni 1384 diese beiden Gesetze wiederum auf dem Reichstag auf Wunsch zweier aus den Reihen der Abgeordneten entsandten „fideles ambasiatores" transsumiert und in ihrem Dekret vom 14. November 1385 durch einen allgemeinen Hinweis bekräftigt. Aus Marias Transsumpt gelangten die hochgeschätzten Texte in das Dekret des Reichstages von Temesvár von Oktober 1397, jedoch nicht mehr in ihrem ursprünglichen Zusammenhang, sondern mit den zahlreichen neuen Bestimmungen gleichsam in eine einheitliche Ordnung gefaßt. Die frühere Tradition der Freiheitsbriefe wurde über die grundsätzliche Erneuerung von Albert vom 29. Mai 1439 bis Wladislaw I. weitergeführt, der am 20. Juli 1440 auf Ersuchen zahlreicher „prelati, barones, comites, milites, proceres et nobiles regni" wieder die Freiheitsbriefe von 1222 und 1351 transsumiert und um vier Artikel ergänzt hat. Die Reihe wurde dann mit dem 1464 auf dem Krönungs-Reichstag Matthias' I. erlassenen Gesetz abgeschlossen. Gegenüber diesen zweifellos feierlichsten rechtsichernden Dekreten haben die Anjous entweder mit ihrem Rat (prelati et barones) oder mit diesem und den zu gewissen Anlässen versammelten Adligen (nobiles) im Einverständnis über Rechtsprechung, Währungsreform, Präfektion oder eine zu regelnde aktuelle Angelegenheit verfügt. Der Kreis der an der Rechtsgebung Beteiligten war während Sigismunds Regierungszeit noch mannigfaltiger. Die große Zahl der in diesem Band veröffentlichten Dekrete bzw. Fragmente deutet darauf hin, daß sich Sigismunds Rechtsgebung auf einen viel breiteren Kreis erstreckt hat, als die seiner Vorfahren; so wissen wir aus dem zweiten Quartal des Jahres 1405 allein von drei Dekreten! Während die hohe Geistlichkeit durch die Veränderlichkeit seiner Kirchenpolitik öfter an der Rechtsgebung nicht teilnahm - das war ja der Fall bereits bei dem Dekret von 1351 - erscheint neben dem Hochadel immer mehr, fast gesetzmäßig die Gruppe des wohlhabenderen mittleren Adels (proceres), wenn der seit Maria üblich gewordene repräsentative Reichstag nicht zusammentrat. Dabei ist die gesetzgebende Tätigkeit des Königs nach Zweck und Anlaß sehr unterschiedlich: so erläßt er das Städtegesetz vom 15. April 1405 „convocatis...civitatum, oppidorum et liberarum villarum [regiarum] nunciis et legatis", das die Gerichtsbarkeit in eigener Sache verbietende Dekret vom 23. Juli 1421 „unacum prelatis et baronibus proceribusque" während der Ausübung der Rechtsprechungsgewalt nach einer zeitgenössischen Mitteilung auf der Generalversammlung des Komitats Pozsony. Das Dekret vom 3. September 1421 über die Gerichtsbarkeit in Sachen des Adels erließ er auf einer mit demselben Gremium, jedoch in Buda abgehaltenen Gerichtsversammlung, die Gesetze der 38 Ihre Ausgaben s. I. Szentpétery: Regesta regum stirpis Arpadianae critico-diplomatica. T. I. 1001-1270. Budapestini 1923-1930, Nr. 379.