Komjáthy Miklós: Protokolle des Gemeinsamen Ministerrates der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (1914–1918) (Magyar Országos Levéltár kiadványai, II. Forráskiadványok 10. Budapest, 1966)

Protokolle

Gebietszuwachs zu erreichen, auf ein Minimum zusammengeschrumpft war. Deutsch­land hat nun, als stärkerer unter den Mittelmächten, seine Kompensationsansprü­che im Osten notwendigerweise mit größerem Nachdruck geltend gemacht. Von den Teilnehmern am gemeinsamen Ministerrat hat wohl Tisza daraus am schroffsten die Konsequenzen gezogen: die austropolnische Lösung der polnischen Frage wurde zu Grabe getragen. (Über das polnische Problem siehe die Kommentare zu den Proto­kollen vom 6. Oktober 1915 und 7. Januar 1916.) In der zweiten Hälfte der Beratungen versuchte der Ministerrat, die Friedensziele bzw. die Bedingungen festzusetzen, unter denen mit dem Feinde Frieden geschlossen werden könnte. Zehn Tage vor der berühmten Rede Wilsons wurde auf diesem Mini­sterrat der Begriff eines Friedens ohne Sieger und Besiegte vom Außenminister Czernin fast wortwörtlich so formuliert wie später vom Präsidenten der Vereinigten Staaten. Der Gedanke eines mit dem Zarenreich abzuschließenden eventuellen Bündnisses (Dreikaiserbündnis) wurde im Weltkrieg nur in dieser Ministerkonferenz aufgeworfen. Über die Friedensziele der Monarchie wurde noch im Ministerrat vom 22. März 1917, 27. September, 2. und 22. Oktober 1918 beraten. Protokoll des zu Baden am 12. Jänner 1917 abgehaltenen Ministerrates für gemein­same Angelegenheiten, unter dem Allerhöchsten Vorsitze Seiner Majestät des Kaisers und Königs. K.Z. 4. - G.M.K.P.Z. 530. Gegenwärtige : der Minister des k.u.k. Hauses und des Äußern Graf Czer­n i n, der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Tisza, der k.k. Ministerpräsident Graf C 1 a m-M a r t i n i c, der k.u.k. Chef des Generalstabes FM. Freiherr von Conrad, der Stellvertreter des Vorstandes der Militärkanzlei Seiner Majestät des Kaisers und Königs, FML. Ritter von Marterer. Protokollführer : Legationssekretär Graf Collered o. Gegenstand: Die polnische Frage. Unsere Kriegsziele in Verbindung mit der Friedensfrage. Seine k.u.k. Apostolische Majestät geruhen den Ministerrat mit der Bemerkung zu eröffnen, dass in der heutigen Beratung zwei Fragenkomplexe zur Diskussion gelangen sollen: 1. die polnische Frage, 2. die Friedensfrage in Verbindung mit den anzustrebenden Kriegszielen. Was die erste dieser Frage anbelangt, nämlich die polnische, so geben Seine Majestät Allerhöchst ihrer Meinung dahin Ausdruck, dass die österreichisch­ungarische Monarchie das Militär-Generalgouvernement Lublin, 1 welches ein wertvolles Pfand für die Wiedergewinnung der derzeit noch vom Feinde besetzten Gebiete Ostgaliziens und der Bukowina darstelle, unbedingt in der Hand behalten müsse. Die Errichtung eines selbstständigen polnischen Staates während des 1 Nach dem Durchbruch bei Gorlice-Tarnow und nach den Siegen vom Sommer 1915 wurde das Militär-Generalgouvernement Lublin im unter österreichischer Verwaltung stehenden, südlichen Teile Polens eingerichtet. Der nördliche Teil Polens gehörte zum deutschen General­gouvernement Warschau.

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