Komjáthy Miklós: Protokolle des Gemeinsamen Ministerrates der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (1914–1918) (Magyar Országos Levéltár kiadványai, II. Forráskiadványok 10. Budapest, 1966)

Protokolle

Wien, 6. Oktober 1915 Der Ministerrat beschäftigt sich mit der Frage der Ausrüstung der Kriegsmarine, hauptsächlich mit Unterseeboten und mit anderen Kriegsausrüstungsproblemen, danach werden die Vorstellungen über Polens Zukunft eingehend besprochen, im Zusammenhang damit die Frage, wie die eroberten Gebiete unter Österreich und Ungarn aufgeteilt werden sollen. Da die Delegationen nicht tagten, konnten die gemeinsamen Ausgaben nicht auf dem im Gesetz vorgeschriebenen parlamentarischen Wege votiert werden. Das als provisorisch gedachte Verfahren, das hierfür im gemeinsamen Ministerrat vom 18. Juni 1915 festgelegt worden war, wurde von diesem Ministerrat gutgeheißen. (Im übrigen siehe zu den gemeinsamen Finanzproblemen Teleszky: a.a.O. S. 85. ff.) Das Hauptthema des gemeinsamen Ministerrates vom 6. Oktober bildete die polnische Frage, mit der sich — wenn auch teilweise in anderer Beziehung — bereits die gemeinsamen Ministerkonferenzen vom 31. Oktober 1914 und 8. März 1915 beschäftigt hatten. Aktuell wurde die Frage durch das, auf den im Mai erfolgten Durchbruch bei Gorlice—Tarnow folgende Vordringen der Armeen der Mittelmächte. Durch diese Offensive, die von den Russen im September zum Stehen gebracht worden war, gelangten Polen, Litauen und Kurland in die Hände der Mittelmächte. Der nördliche Teil des nach dem Wiener Kongreß Rußland zugesprochenen polnischen Gebietes, des sog. Kongreßpolens gelangte (mit Ausnahme der Gegend um Suwalki) unter deutsche, der südliche unter österreichisch-ungarische Militärverwaltung (Mili­tärgouvernement Lublin). Die Militärverwaltung war natürlich als Übergangslösung gedacht. Der gemeinsame Ministerrat befaßte sich in dieser Sitzung zum erstenmal umfassend, auf breiterer prinzipieller Grundlage mit der als endgültig gedachten Lösung der polnischen Frage. Vor dem Weltkrieg, doch auch während des Weltkrieges tauchten mehrere Versuche zur Lösung des polnischen Problems auf. Davon waren jedoch nur zwei so geartet, daß sich die deutschen und Österreich-ungarischen Politiker mit ihnen aussichtsreich befassen konnten. Die eine Variante war die sog. »deutsch­polnische Lösung«, durch die Polen im wesentlichen unter deutsche politische und wirtschaftliche Suprematie gelangen sollte; die andere war die sog. »austropolnische Lösung«, nach der Polen mit der Österreichisch-Ungarischen Monarchie vereint werden sollte. Hierüber und über sonstige, in irgendeiner Form aufgetauchte Lösungsversuche, ihren Zusammenhang und ihre geschichtlichen Antezedenzien usw. siehe bei G. Gratz— R. Schüller: Die äußere Wirtschaftspolitik Österreich-Ungarns. Mitteleuropäische Pläne. Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Weltkrieges. Österreichische und Ungari­sche Serie. Wien 1925, S. 261 f. Protokoll des zu Wien am 6. Oktober 1915 abgehaltenen Ministerrates für gemein­same Angelegenheiten, unter dem Vorsitze des Ministers des k.u.k. Hauses und des Äußern Baron Burián. Gegenwärtige : Der k.k. Ministerpräsident Graf S t ü r g k h, der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Tisza, der k.u.k. gemeinsame Finanzminister Dr. von Koerber, der k.u.k. Kriegsminister FZM. Ritter von K r o b a t i n, der Stellvertreter des Chefs der Marinesektion Vizeadmiral von K a i 1 e r. Schriftführer : Legationssekretär Graf Walterskirchen. Gegenstand: Vorsorge für die gemeinsamen Erfordernisse des laufenden Budgetjahres. Beschaffung von U-Booten. Zukunft des Königreiches Polen.

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