Komjáthy Miklós: Protokolle des Gemeinsamen Ministerrates der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (1914–1918) (Magyar Országos Levéltár kiadványai, II. Forráskiadványok 10. Budapest, 1966)
Einleitung: Die Entstehung des gemeinsamen Ministerrates und seine Tätigkeit während des Weltkrieges
sehen Aktion der Monarchie, letzten Endes in der Ingangsetzung des militärischen Mechanismus der ganzen Welt hatte der Umstand eine entscheidende Rolle, daß Außenminister Berchtold die Berliner Mission des Grafen Hoyos positiv ein schätzte — was vom Gesichtspunkt seiner eigenen Politik bzw. der von ihm ver tretenen Kreise auch richtig war. Die beiden Berichte des Botschafters Szőgyény über diese Mission haben tatsächlich bei Berchtold selbst den Schatten jedes Zweifels verscheucht, das Deutsche Reich könnte das militärische Auftreten der Monarchie gegen Serbien eventuell nicht unterstützen. In den Versicherungen über die Bündnistreue sind Kaiser Wilhelm und der Reichskanzler Bethmann Hollweg so weit gegangen, daß sie geradezu auf den Beginn des Feldzuges gegen Serbien drängten. Obwohl sie sicher mit einer feindseligen Haltung Rußlands rechneten, hielten sie es doch nicht für wahrscheinlich, daß das Zarenreich beim damaligen Stand seiner militärischen Vorbereitungen zu den Waffen greifen würde. Auch die damalige internationale Lage hielten sie geeigneter für ein mili tärisches Auftreten als einen späteren Zeitpunkt. 205 Umsonst erklärte das angesehenste Mitglied des gemeinsamen Ministerrates, István Tisza, auf der Ministerkonferenz vom 7. Juli 1914, »es sei nicht Sache Deutschlands, zu beurteilen, ob wir jetzt gegen Serbien losschlagen sollten oder nicht«. 206 Unter den verantwortlichen Staatsmännern der Zentralmächte war viel leicht er der einzige, der — bei allem Illusionismus seiner außenpolitischen Kon zeption — die Möglichkeit und die Größe der russischen Intervention am wirklich keitsnahesten einschätzte. 207 Doch hat er die aus dieser Erkenntnis gezogenen Folge rungen, daß nämlich der Zeitpunkt für eine Abrechnung mit Serbien derzeit nicht geeignet sei, weder auf dieser noch auf den folgenden Ministerkonferenzen durchsetzen können. Es besteht kein Zweifel daran, daß die Lösung der Frage auf das kriegerische Geleise geschoben wurde, weil die Kriegspartei der Monarchie der militärischen Kraft und der kriegstechnischen Überlegenheit des Deutschen Reiches vertraute und ihre Zuversicht durch die unüberlegten Versprechungen des Kaisers und des Reichskanzlers noch erhöht wurde. So betrat die Regierung der Monarchie den Weg, dessen Richtung während der Kriegsereignisse in stets zunehmendem Maße durch die politischen Ziele und die Mobilmachungs, Aufmarsch und strategischen Pläne der Deutschen Obersten Heeresleitung bestimmt wurden. In den ersten Kriegsmonaten versuchte Deutschland, die Neutralität Italiens, das Anerbieten der Monarchie überbietend, selbst auf Kosten der territorialen Integrität ÖsterreichUngarns zu sichern. Wiederum war es Tisza, der sich dem, die Handlungsfreiheit der Monarchie beschränkenden deutschen Schritt scharf entgegenstellte. Auf der gemeinsamen Ministerkonferenz vom 8. August 1914 gab er seiner Ansicht Ausdruck, durch die vom deutschen Generalstab erzwungene grobe Verletzung der Neutralität Belgiens seien Italien und damit auch die mit ihm verhandelnde ÖsterreichischUngarische Monarchie in eine schwierige Lage versetzt worden, denn die englische und französische Flotte seien nach der Über rennung Belgiens im Mittelmeer erschienen. 208 Monatelang zogen sich die unglei chen Unterhandlungen hin, bis auf der gemeinsamen Ministerkonferenz vom 3. Februar 1915 der neuernannte gemeinsame Minister des Äußern, István Burián,