Komjáthy Miklós: Protokolle des Gemeinsamen Ministerrates der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (1914–1918) (Magyar Országos Levéltár kiadványai, II. Forráskiadványok 10. Budapest, 1966)

Einleitung: Die Entstehung des gemeinsamen Ministerrates und seine Tätigkeit während des Weltkrieges

gemeinsamen Ministerrates als Geschichtsquellen untersuchen und auf dieser Grundlage die dort enthaltenen Daten mit denen anderer Quellen vergleichend, über ihren Wert und ihre Benutzbarkeit sprechen und feststellen, inwiefern sie getreu das wiedergeben, was festzuhalten ihre Aufgabe war. Der Zusammenhang zwischen einer Institution und ihren Schriften ist vielleicht nirgends so eng wie im vorliegenden Fall. Die komplexe Untersuchung der Protokolle ist sowohl vom Gesichtspunkt der Geschichte des gemeinsamen Ministerrates wie auch der Quellenkritik seiner Protokolle fruchtbringend. 1 Welche der so auftauchenden Fragen wir auch betrachten, das Gebiet, auf dem die Antworten zu suchen sind, ist in jedem Falle das Arbeitsgebiet der historischen Hilfswissenschaften. Die Einleitung zu einer Quellenausgabe, wie auch diese, wird meines Erachtens ihrer Aufgabe dann gerecht, wenn sie die modernen Methoden der historischen Hilfswissenschaften anwendet. 2 Das heißt, wenn sie zu erfassen und aufzuzeigen sucht, daß die Ausstellung der Urkunden und Schriften, die Amtsführung im allgemeinen, die Tätigkeit der Büros, organisa­torische Veränderungen usw. ebenso Folgen der Entwicklung der gesellschaftlichen Verhältnisse sind wie z. B. die Änderungen in den großen Linien der Weltpolitik. II Der gemeinsame Ministerrat der Österreichisch-Ungarischen Monarchie wurde nach der allgemein in Historikerkreisen herrschenden Auffassung durch den Ausgleich vom Jahre 1867 geschaffen. In Wirklichkeit wurde der Rahmen der Tätigkeit dieser neuen Institution durch die Organisationsformen, den Geschäfts­gang, die Registrierung der Verhandlungsprotokolle, d. h. durch unzählige wesent­liche oder belanglose Äußerlichkeiten ihres formalen Rechtsvorgängers, des österreichischen Kaiserlichen Ministerrates schon im voraus bestimmt. Hierauf werde ich bei der Untersuchung der Funktion, des Aufgabenbereichs des Minister­rates und der äußeren Merkmale seiner Protokolle noch zurückkommen. Dieser Rahmen und diese Formen gingen nicht planmäßig auf den gemeinsamen Minister­rat über, haben aber mit der Kraft der Gewohnheit auch den Inhalt determinie­rende Formen herausgebildet. Die Benutzung bestehender, »gut bewährter« Amtsmethoden, ihr bloßes Fortleben machten jede neue Geschäftsordnung entbehrlich, erweckten zumindest in den zuständigen Personen den Glauben, eine detaillierte Regelung des Wirkungsbereichs und der Geschäftsordnung des gemeinsamen Ministerrates erübrige sich. Außer den Grundgesetzen vom Jahre 1867 über die neue Struktur der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, den Dualismus und den ergänzenden und teilweise abändernden Gesetzen, 3 die diese Fragen nur allgemein behandeln, wurde die Tätigkeit des gemeinsamen Minister­rates nie prinzipiell geregelt. Der Ausgleich vom Jahre 1867 war das Ergebnis eines Kompromisses. Die Entwicklung der europäischen Verhältnisse, hauptsächlich die Katastrophe von Königgrätz brachten den Monarchen und die herrschende Amts- und Militär­bürokratie zu der Einsicht, daß »die Kräfte des absolutistischen Zentralismus zur

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