Mitteilungen des K. K. Archivrates 2. (Wien, 1916)
Dr. Andreas Mudrich: Das Salzburger Archivwesen
2 Dr. Andreas Mudrieh. Unterstützt wird diese Deutung durch die Bezeichnung der Salzburger Kopialbücher, welche von Anfang an »Kammerbücher« genannt werden, obwohl sie gewiß nicht kameralistischen Zwecken allein dienen sollten1), sowie durch den Umstand, daß in dieser Zeit und noch später das Wort Archiv nicht nachweisbar ist. Diese Benennung ist in dem Verhältnis des Archivs zur erzbischöflichen Kammer begründet. Der Urkundenschatz wurde nicht bei der Kanzlei, sondern bei der Kammer unter Aufsicht des Camerarius verwahrt.1 2) Über den Ort selbst erfahren wir nichts, als daß sich die »Kammer« im Palaste des Erzbischofs befand.3) Die Tatsache jedoch, daß die hier verwahrten Urkunden ziemlich vollzählig erhalten blieben, beweist, daß sie vor Feuer, Moder und Entwendung hinreichend geschützt waren. Manches Stück mag allerdings den Mäusen oder Schaben zum Opfer gefallen sein.4) Als ältestes Denkmal archivalischer Betätigung darf wohl der Codex Odalberti angesprochen werden. Erzb. Odalbert (923—935) ließ die schriftlichen Zeugnisse über die unter seiner Regierung abgeschlossenen Tausch- und Vergleichshandlungen in ein Buch abschreiben.5) Auch ein Teil des Codex Fridarici (958—991) ist auf gleiche Weise entstanden.6) An diese Traditionsbücher reihen sich die fünf, beziehungsweise sechs Kammerbücher an.7) Sie wurden wohl nach dem Beispiel anderer Stifte am Ausgange des 13. Jahrhunderts begonnen und bis 1466 fort1) Kop.-Bueh III, f. 18: 1436, X, 10. Erzb. Johann II. verleiht den Nußdorfern das Erbmarschallamt. Sie sollen es ausüben beim Antritte eines Erzbischofs »mit ihr selbs Person, ausrichten und warten und in dem Ambt rechten nach Innhaltung unsers Camerbueehs beschaiden«. — Gutrater-Buch, f. 309: Gemeltes Buch der Erbausfergen Ursprungs (Privileg Pilgrims), alwo der Autor Haimeran Guetfrather meldet, das ihme dann Herr Hans Gold und Herr Sebastian v. d. Alm diese Artikul an St. Miehels- tag 1497 vor Bisehoffn zu Seggau als Cammerern in einem piramentenem roth überzogenem Cammerbueh gezeigt haben. 2) Siehe S. 1, Anmerkung 1, und oben Anmerkung 1, Gutrater-Bueh. 3) S. 1, Anmerkung 1, Lang Nr. 60. 4) Haus-, Hof- und Staats-Archiv. Eep. Res eccl. f. 133: Erectio episcopatus Seccov. per Honorium Papam III. etc. Litterae istae in advertentia erant per mures seu tineas ita obrosae et depravatae, ut in magna sui parte legi non poterant. Idcirco dictus Honorius dedit praefato Eberhardo arehiep. ad petitionem suam alias eiusdem tenoris litteras ex Eegistro Bullarum Romae sumptas sub dato Reate 6. Idus Augusti Pontif. sui a. X. 5) Hauthaler, Salzb. Urkb. S. 63: .... Odalbertus Iuuauensis eeclesie archi- episcopus ... in unum libellum precapitulatum omnia peracta cartulis adfirmata testium iussit scribendo colligere et collecta capitulis prenotare, ne uniuscuiusque traditio inquirendo vacillet. 6) Hauthaler, ebenda S. 166. ") Vgl. Kaltenbrunner, Die Salzb. Kammerbücher. N. Archiv f. ä. d. Gesch. I, 485 ff.