Mitteilungen des K. K. Archivrates 1. (Wien, 1914)

Dr. Bertold Bretholz: Zur Geschichte des mährischen Archivwesens

Zur Greschiclite des mährischen Archivwesens. (Entwicklung, Zustand, Aufgaben.) Von Dr. Bertold Bretholz (Brünn). Eine Geschichte des österreichischen Archivwesens ist noch nicht geschrieben. Wenn es einmal zu dieser Arbeit kommen sollte — und die Begründung dieser Zeitschrift dürfte zur planmäßigen Sammlung des hiefür belangreichen Materials uud zur Verfassung der unumgänglich notwendigen Vorarbeiten gewiß wesentlich beitragen — dann wird in ihr das mährische Archivwesen vielleicht nicht die letzte Stelle ein­nehmen. Nicht etwa wegen der Zahl und Reichhaltigkeit unserer öffent­lichen und privaten Tabularien; in dieser Hinsicht müssen wir leider sogar recht bescheiden auftreten und stehen infolge schwerer Verluste hinter mancher kleineren Provinz in der Monarchie zurück. Auch das luteresse der maßgebenden Faktoren an den geretteten Resten ist im allgemeinen kein solches, daß man es als mustergültig und nach­ahmenswert hinstellen könnte. Allerdings erfordert gerade dieser Punkt eine genauere Beleuchtung, zu der sich denn auch in den weiteren Aus­führungen Gelegenheit bieten wird, um anerkennenswerte Sorgfalt, Lässigkeit aus Unverstand und sträfliche Nachlässigkeit strenger von einander zu scheiden. Das Merkwürdige und Interessante in der Entwicklung des mähri­schen Archivwesens bildet vielmehr die Wahrnehmung, daß man hier einmal tatsächlich nahe daran war, eine großzügige Archivorganisation für das ganze Land zu schaffen, daß auch ein kühner Anlauf genommen wurde, der hier Anerkennung, dort Nachahmung gefunden hat1), daß ') Abgesehen von den zahlreichen literarischen Stimmen, die sich über die wissenschaftliche Tätigkeit auf dem Gebiete der Geschichte und Landeskunde in Mähren überaus wohlwollend ausspraclien, so daß sie Peter v. Chlumecky sammeln und schon 1856 in Druck legen ließ, wäre hier daran zu erinnern, daß sich 1859 die krainiseh-ständisehe verordnete Stelle um Informationen an den mährischen Landes­ausschuß wegen der Einrichtung des mährischen Landesarehivs gewandt hatte und daß sogar in der dem preußischen Herrenhause Mai 1856 vorgelegten Denkschrift wegen Neuorganisierung des dortigen Staats-Archivwesens sehr lebhaft und eingehend auf die Verhältnisse in Mähren hingewiesen worden war.

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