Mitteilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs 4. (Dritte Folge, 1906)

Hauptmann Just: Das Herzogtum Warschau von seinen Anfängen bis zum Kampf mit Österreich 1809

Vorwort. Schon seit dem Aussterben des nationalen Herrscher­geschlechts der Jagiellonen im Jahre 1572 hat die Entwicklung des Königreiches Polen die Politik der europäischen Fürsten­höfe mächtig beeinflußt. Die „polnische Frage” in der Gesamtheit ihrer Einwirkungen auf den Gang der welt­geschichtlichen Ereignisse schildern, hieße eine Geschichte der Staatenpolitik in den letzten drei Jahrhunderten geben. In einem engeren Sinne haben Einzeldarstellungen*) polnischer, französischer, deutscher und russischer Schrift­steller die Absichten Napoleon I. darzulegen versucht, als er die Kraft der polnischen Nation in Frankreichs Dienst stellte. Hatte er den Willen, das 1795 untergegangene Königreich zu neuem Leben erstehen zu lassen, oder war Polen für ihn nur ein Blatt in dem hohen Spiele mit den Geschicken der europäischen Staaten? Selbst die französische Forschung der Jetztzeit neigt zu letzterer Auffassung2). Während der Dauer des Krieges 1806—1807 hatte Napoleon die Hoffnungen der Polen geweckt, ohne sich zu bindenden Erklärungen über ihre Zukunft zu verstehen. Die von ihm geschaffene „Commission de gouvemement nationale” hatte in Wahrheit nur die von den französischen Truppen okkupierten preußischen Land­striche des einstigen Königreiches Polen zu verwalten, für die Erhaltung der „Großen Armee” zu sorgen und neue Truppen auszuheben. Beim Friedensschluß fühlte Napoleon die Verpflichtung, sich einer Nation dankbar zu erweisen, welche so wdllig Gut und Blut für ihn eingesetzt hatte. Das alte Königreich in seiner Gänze wiederherzustellen,, wie *) Eine Übersicht gibt ßembowski Fußnote zu Kapitel I; Thiers, VII, 217. 2) Yandal, La France et la ßussie pendant la Campagne de 1809'

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