Mittheilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs - Supplement. Geschichte K. und K. Wehrmacht 5. (1903)

Die Landes-Vertheidigung - Die Aufgebote in den Erblanden bis 1809 - II. Die Aufgebote in den einzelnen Provinzen

21 Die Gültenbesitzer waren verpflichtet, von einem Einkommen von 100 Pfund1) ein gerüstetes Pferd zu stellen. Zur Bestreitung der Kosten wurde ein eigener Kriegsbeitrag aus­geschrieben, den jeder leisten musste, der das 12. Lebensjahr überschritten hatte. Endlich wurden noch für Greise, Weiber und Kinder eigne Zufluchtsorte bestimmt. Das Recht, das Aufgebot einzuberufen, stand dem Land-Obristen zu. In den ersten Decennien des 17. Jahrhunderts trat das Aufgebot hier wiederholt in Tliätigkeit, mitunter jedoch auch gegen den Landesfürsten. So diente es 1608 dem Erzherzog Matthias, welchem sich die vor­wiegend protestantischen Stände freiwillig unterworfen hatten, auf seinem Zuge nach Böhmen gegen Kaiser Rudolph II. Als aber der erstere, dem der Kaiser die Regentschaft über ober und unter der Enns abgetreten hatte, nicht alle versprochenen Zusagen sofort erfüllte, trat das Aufgebot im Jahre 1609 gegen denselben unter die Waffen. In den Jahren 1610—1611 war dasselbe theils zur Abwehr des drohenden Einfalles des „Passauer Kriegsvolkes” 2) einberufen, theils um zu verhindern, dass letzteres auf seinem späteren Durchzuge nach Böhmen sich Bedrückungen des Landvolkes zuschulden kommen lasse. Im 30jährigen Kriege wurden 1619 Theile des Aufgebotes unter Gottfried von Starhemberg den Aufständischen in Oesterreich unter der Enns zu Hilfe geschickt. Als 1620 der Churfürst Max Emanuel von Bayern das Land fűi­den Kaiser in Besitz nahm, versuchte das Aufgebot unter dem Obristen Schifer sich dieser Besitznahme zu widersetzen, wurde jedoch bald unter­worfen. Aus der in die Dienste-des Churfürsten getretenen Mannschaft wurde ein Regiment zu Fuss formiert, welches den Obristen Valentin Schmidt zum Inhaber (Commandanten) erhielt, die Schlacht am Weissen Berge bei Prag mitkämpfte und später ganz in die Dienste der Liga trats). Veranlasst durch die Härte und Bedrückungen des bayerischen Statt­halters Adam von Herberstorff4), insbesondere mit Bezug auf Wiederein­führung der katholischen Religion, brach 1626 der sogenannte Bauernaufstand aus, welcher aber auch als Aufgebot der Volksmassen, wenn auch nicht zur äusseren Vertheidigung, anzusehen ist. Unter dem Anführer Stephan Padinger, nach dessen Tode unter Achaz Willinger von der Au, blockierten die Bauern Linz und Freistadt und kämpften mit wechselndem Glücke theils gegen die bayerischen, theils gegen die zur Unterstützung herbeigerufenen kaiserlichen Truppen unter den Obristen Brenner und Löbel und wurde deren Widerstand erst durch den Sieg 4) Ein Pfund gleich 60 Kreuzer. 2) Nach dem Tode des letzten Herzogs von Jülich, Cleve und Berg war der Erz­herzog Leopold Wilhelm, Bischof von Passau, vom Kaiser mit der Verwaltung dieser Länder betraut worden. Da andere Prätendenten auf diese Länder sich au schickten, ihre Ansprüche auf dieselben mit den Waffen in der Hand geltend zu machen, so bewilligte der Kaiser dem Erzherzog die Anwerbung eines Truppen-Corps, um sich dort behaupten zu können. Als Sammelplatz für dasselbe war Passau bestimmt, und leitete sich hievon obige Benennung ab. Da aber dieses, unter Commando des FM. Althann gestandene Kriegsvolk, dessen Stamm das Regiment zu Fuss Trauttmansdorff und das Reiter-Regiment des Obristen Ramée bildetén, unverhältnismässig lange versammelt blieb, ohne an seine Bestimmung abzugeben, die später geführten Verhandlungen aber darauf schliessen Hessen, dass das­selbe eher die Bestimmung habe, den Kaiser in einem eventuellen Kampfe gegen den Erzherzog Matthias zu unterstützen, so ergriffen die Stände die Vorsichtsmassregel der Einberufung des Aufgebotes, um sich dieser ungebetenen Gäste, welche sich schon durch ihre Disciplinlosigkeit an den Grenzen des Landes bemerkbar gemacht hatten, zu erwehren. 3, Das Regiment war circa 2100 Mann stark, erhielt 1626 den späteren kaiserlichen FZM. Hans Reinach zum Inhaber und wurde 1650 als Neveu de la folie abgedankt. (Heylmann, „Kriegsgeschichte Bayerns”. II. Band.) 4) Als Ersatz für die dem Kaiser durch den Churfürsten von Bayern geleistete Hilfe wurde das Land ob der Enns demselben 1620 verpfändet und verblieb bis 1628 unter bayerischer Verwaltung.

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