Mittheilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs 1. (Dritte Folge, 1902)

Hauptmann von Hoen: Der Strassenkampf in Paris am 28. und 29. Juli 1830

Der Strassen kämpf in Paris am 28. und 29. Juli 1880. 99 Philipp von Orléans mit der Würde des Statthalters be­traut, bald darauf wurde er König der Franzosen. Er erschien den wohlhabenden Kreisen, den Finanz-Leuten, als der ge­eignete Mann, welcher sich dem liberalen Bürgerthume fügen, durch friedliche Regierung und den Besitzenden günstige Gesetze den Wohlstand des Bürgerthums mehren und ver- grössern werde. Für die Candidatur des Herzogs von Reichstadt, Napoleon’s Sohn, für die ein grosser Theil des Volkes zu den Waffen gegriffen hatte, ebenso für die Schaffung einer Republik fanden sich im Bürgerthume, das nach dem ersten Schrecken die Herrschaft an sich gerissen hatte und die Früchte des blutigen Sieges genoss, keine Stimmen. Die Bourbons mussten das zweite Mal in das Exil. Gewiss war die Herstellung des königlichen Ansehens geboten; man musste den herrschenden Strömungen durch die Ordonnanzen ein Ziel setzen, wollte der König nicht seiner ganzen Gesinnung und Denkweise untreu werden. Darin liegt die theilweise Rechtfertigung für die Kühnheit, mit der Carl X. und sein Minister Fürst Polignao einen Staatsstreich wagten. Wer wagt, gewinnt! Doch mussten die Vorbedingungen zu einem günstigen Ausgange geschaffen werden, man musste den schlimmsten Fall, die allgemeine Erhebung in Rechnung ziehen und danach seine militärischen Massnahmen treffen. Da dies aus allzu grossem Selbstvertrauen und aus Leichtfertigkeit nicht geschah, stürzte der kaum wieder aufgerichtete Thron in Trümmer. 7*

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