Mittheilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs 1. (Dritte Folge, 1902)
Hauptmann Criste: Ungedruckte Briefe des Erzherzogs Carl
Ungedruckte Briefe des Erzherzogs Carl über den Feldzug 1800. 2Í Ihnen meine Gedanken über die Operationen der Armee mit- zutheilen, berechtigt mich, Ihnen mitten in Ihren zahlreichen Beschäftigungen mit diesem Briefe zur Last zu fallen. Alte Soldaten1) raisonieren gern und brummen beständig und finden nichts Angenehmeres, als wie in den Busen ihrer Freunde und gewesten Kameraden alle ihre Ideen auszuschütten ; also auch in dieser Rücksicht verdiene ich Nachsicht, wenn ich Sie mit meinen Briefen ennuyiere. Meine Vermuthungen in Betreff des Augenblicks, wo Moreau uns angreifen würde, so ich Ihnen in meinem letzten Brief mittheilte, sind also ganz eingetroffen. Kaum hatte Moreau die Nachricht von Bonaparte’s Sieg bei Marengo erfahren, so zog er seine Macht zusammen, forcierte den Uebergang über die Donau und zwang uns zum Rückzug. Unsere Stellung hatte den grossen Fehler, dass wir uns von Ulm bis Donauwörth ausgedehnt und zerstreut hatten, anstatt bei Ulm blos die Garnison mit etwas Cavallerie aufgestellt zu lassen, die Donau blos mit Observations-Posten von leichter Cavallerie zu besetzen und die Armee ganz hinter Höchstädt zu concentrieren oder nach Umständen bei Neuburg aufzustellen. Moreau konnte dann den Uebergang über die Donau -wagen. Unsere Armee wäre bei Höchstädt gegenüber dem vortheilhaftesten Platze zum Uebergang versammelt und dieser folglich unmöglich gewesen. Bei Donauwörth überzugehen war zu gefährlich, da wir entweder durch einen schnellen Uebergang über die Donau auf alle seine Communicationen vorgedrungen wären, oder durch eine Anrückung gegen Donauwörth ihn schlagen konnten, ohne dass er einen Rückzug gehabt hätte. Gieng Moreau zwischen Ulm und der Armee über, so konnten wir ihn nach Umständen entweder gleich angreifen oder an der Brenz erwarten, ohne im unglücklichsten Falle etwas zu riskieren, wo er bei einer verloi'enen Schlacht zwischen Ulm und der Brenz in die grösste Verlegenheit kommen konnte. Selbst über den Lech konnte Moreau nicht weit vorrücken, so *) *) Die reich bewegte und ruhmvolle militärische Vergangenheit berechtigte wohl den damals ‘29jährigen Erzherzog, sich einen „alten” Soldaten zu nennen.