Mittheilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs - Supplement. Geschichte K. und K. Wehrmacht 1. (1898)
Die Fuss-Truppen - I. Infanterie - Die Chargen und ihre Obliegenheiten
— 63 — Bezüglich, des Wachtmeister-Lieutenants wurde 1752 verfügt, dass derselbe gar nicht mehr unter dem Stocke stehe. 1748 ordnete Kaiserin-Königin Maria Theresia schon eine Beschränkung der ungerechtfertigten Anwendung der Stockstrafe an; nach dem Reglement vom Jahre 1769 durften Stockstreiche überhaupt nur noch gegen Gefreite und Gemeine angewendet werden. Wenn der Inhaber nicht beim Regimente anwesend war, so übertrug er dieses Jus gladii et aggratiandi mittelst eines eigenen Decretes an den zeitlichen Obristen (Obrist-Regiments-Commandanten) entweder ganz oder mit irgend einem Vorbehalte. In diesem Decrete musste auch ausgesprochen sein, in wie weit der nach dem zeitlichen Obristen etwa im Regiments-Commando folgende Stabs-Officier dasselbe Jus gladii et aggratiandi zu überkommen habe. 1868 bei Auflösung der Regiments-Gerichte Übergiengen die gerichtsherrlichen Rechte der Inhaber (Regiments - Commandanten) bezüglich der Infanterie an die Brigade-Commanden. 2. Der Inhaber hatte ursprünglich das Bestallungs- und Beförderungsrecht, sowie das Entlassungsrecht über alle unobligaten Mitglieder des Regiments (Stabs-Parteien). Bezüglich der Stabs-Officiere wurde dieses Recht schon unter Kaiser Leopold I. durch den Hofkriegsrath vielfach beschränkt und in Anspruch genommen (so durch Eintheilung von durch Reductionen Ueberzähligen, als „Aggregierte”, welche nach Massgabe, als sich Aperturen ergaben, in eine wirkliche Charge eingebracht, „accommodiert” wurden). Später konnten die Inhaber bei Erledigung einer Stabs-Officiers-Stelle Individuen, deren Beförderung sie wünschten, hiezu in Vorschlag bringen; seit 1766 erfolgten die Beförderungen der Stabs-Officiere ausschliesslich durch den Hofkriegsrath. Bezüglich der Officiers-Stellen vom Hauptmann abwärts hatte der Obrist- Inhaber das unumschränkte Beförderungsrecht1), welches er ebenfalls an den zeitlichen Obristen mit oder ohne Beschränkung übertragen konnte, was jedoch in den seltensten Fällen geschah* 2). Seit 1849 sind alle Beförderungen der Stabs-Officiere der Allerhöchsten Entschliessung Sr. Majestät Vorbehalten. Seit 1868 erfolgt die Beförderung aller Stabs- und Ober-Officiere durch Se. Majestät den Kaiser. Die Beförderung der Unterofficiere erfolgte über Vorschlag der Compagnie- Commandanten durch das Regiments-Commando. Der Inhaber hatte das Recht, alle Stabs-Parteien aufzunehmen, eventuell zu entlassen. 3. Der Inhaber hatte das Recht, die Bewilligung zur Heirath für Officiere und Mannschaft zu ertheilen. Vom Jahre 1769 an wurden Heiraths-Cautionen normiert, dann die Zahl der verheiratheten Unterofficiere und Mannschaft beschränkt3). Ebenso wurde später betreffs der Officiere festgesetzt, dass nur ein Sechstel des Gesammtstandes verheirathet sein dürfe. Dieses Recht konnte so wie die anderen übertragen werden und über- gieng bezüglich der Officiere 1868 an das Reichs-Kriegs-Ministerium, bezüglich der Mannschaft verblieb es dem Regiments-Commandanten4). ') Wiewohl durch vielfache Verordnungen den Inhabern wiederholt _ zur Pflicht gemacht wurde, hiebei ohne „geringsten Eigennutz oder Parteilichkeit, mit alleiniger Rücksicht auf das Beste des Dienstes vorzugehen, auch die Beförderungen grundsätzlich nach der ,, Anciennität” vorzunehmen und nur bei ganz aussergewöhnlichen vorzüglichenEigen- schaften einen jüngeren Officier einem vielleicht mittelmässigen Aelteren vorzuziehen”, fanden in dieser Richtung doch mannigfache Missbrauche statt. Die vielfachen „Einschübe”, so nannte man Jene, welche durch die Inhaber von fremden Regimentern mit Beförderung in das Eigene übernommen wurden, brachten manchem braven an der Avancements-Tour stehenden Offlcier eine unverdiente Zurücksetzung. *) Die Ernennung der Land weh r-Oí'íici ere war den General-Commanden Vorbehalten. 3) Nach dem Reglement von 1769 durften nur 3 Weiber per Compagnie in das Feld mitgenommen werden. ä) Gegenwärtig (seit 1812) unterscheidet man bezüglich der Mannschaft zwei Kategorien Verheiratheter. Jene nach „erster Art” haben Anspruch auf Unterkunft, Beförderung auf Märschen u. s. w., vom Aerar. Jene nach „zweiter Art” müssen ihre Familien aus Eigenem erhalten. Grundsätzlich dürfen überhaupt nur Chargen verheirathet sein, Mannschaft, so lange sie im Präsenzstande dient, gar nicht.