Mittheilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs - Supplement. Geschichte K. und K. Wehrmacht 1. (1898)

Die Fuss-Truppen - I. Infanterie - Die Chargen und ihre Obliegenheiten

106 — Für gewisse Stände trat nur „zeitliche Befreiung” von der Dienst­pflicht ein; hiezu gehörten: Studierende (bei gutem Fortgang), Gewerbe­treibende, Söhne, welche zum Unterhalte der Eltern nothwendig (auch wenn die Eltern nicht 70 Jahre alt waren)1). Jedem zum Militär-Dienst verpflichteten war es gestattet, gegen Erlag einer Taxe, der sogenannten „Befreiungs-Taxe”, sich von demselben los­zukaufen * 2). Auch war in Friedenszeiten eine „Stellvertretung” durch ausgediente Capitulanten gestattet. Ausser der regelmässigen Stellung durch Losung, existierte noch die „Stellung von Amtswegen” (ex officio), wozu von den politischen Behörden alle Selbstverstümmler, Recrutierungsflüchtlinge und dem Gemeinwesen ge­fährliche Individuen gestellt und directe auf den Loco-Stand behalten wurden. Endlich war der „freiwillige Eintritt” der Inländer in die Armee gestattet, wobei der Betreffende sich das Regiment (den Truppenkörper) wählen konnte; Alter unbeschränkt, Capitulation normalmässig. Jeder Recrut, ob durch Losung oder ex officio gestellt, so wie der frei­willig Eintretende hatte Anspruch auf das Handgeld von 3 fl. (Befreite, wenn sie freiwillig eintraten, wie früher 10 fl.). Da, wie erwähnt, das Reserve-Institut aufgehoben war, so hatte jede Compagnie zur Deckung etwaiger unvermutheter grösserer Abgänge eine Anzahl von Gemeinen üb er den vorgeschriebenen completen Stand (Kriegs-Stand) auf unbestimmte Zeit „bis zur Einberufung beurlaubt” zu führen. Diese standen in ähnlicher Weise wie jetzt die Reserve-Mannschaft unter der Civil- Jurisdiction. Ausserdem wurde in Friedenszeiten zur Schonung des Staatshaushaltes eine grössere Zahl von Gemeinen und Unterofficieren des completen Standes „bis zur Exercierzeit” beurlaubt, wodurch sich der Loco- oder Friedens- Stand ergab3). Die „Urlauber bis zur Exercierzeit” unterstanden der Militär-Jurisdiction und durften sich aus dem Orte, wohin sie beurlaubt wurden, nicht entfernen. Die Waffenübungen (Exercierzeit) fanden jährlich nach Beendigung der Feldarbeit während mehrerer Wochen statt. Jeder obligate Mann, welcher seine Capitulation vollstreckt hatte, wurde, wenn sein Verhalten ein gutes war, mit „Abschied”, sonst mit „Laufpass” entlassen. Ausser den bereits früher erwähnten Fällen von Entlassung vor voll- streckter Dienstzeit konnte eine solche in gewissen Fällen auch gegen Stellung eines anderen diensttauglichen Mannes und gegen Erlag des Montursgeldes, oder auch nur gegen Letzteres allein bewilligt werden. In ersterem Falle nannte man diesen Vorgang: „Entlassung im Offertwege”. Als Commandant des Werb-Bezirks füngierte derRegiments-Commandant, beziehungsweise, wenn das Regiment ausserhalb desselben dislociert war, ein *) Wenn bei einem bereits eingereihten Soldaten nachträglich Verhältnisse ein- traten, welche seinen Anspruch auf gänzliche (zeitliche) Befreiung vom Militär-Dienste be­gründeten, konnte derselbe über Ansuchen der politischen Behörde, im Einvernehmen mit den General-Commanden, aus demselben entlassen werden („Entlassung im Con- certationswege”). 2i Selbe war je nach den Provinzen verschieden bemessen und zwar von 500—800 fl. C.-M. 3) Bezüglich der verschiedenen Gattungen von Ständen bilden alle in den Verband eines Regiments (Truppenkörpers) gehörigen Personen, deren Nationale in dem sogenannten „Grundbuche” verzeichnet sind, den „Grundbucli-Stand”. Der durch bestimmte Vor­schrift fallweise für die Formation im Kriege normierte Stand heisst: ..Kriegs-Stand”, früher Soll-Stand, mitunter auch effectiver oder completer Stand; der fallweise im Frieden normierte Stand bildet den „Loco- oder Friedens-Stand” einer Unter-Abtheilung. Die zur Ergänzung auf den Kriegs-Stand beurlaubte, beziehungsweise im Reserve-Verhältnisse stehende Mannschaft bildet den „Urlauber-” oder ..Reserve-Stand”. Sowohl beim Friedens-, als Kriegs-Stand unterscheidet man mit Rücksicht auf die Bewaffnung und Dienstes- Bestinnnung im Gefechte den „streitbaren Stand” (Feuergewehr-Stand) und die „nicht streitbaren” (Officiersdiener u. s.w.). Der Feuergewehr-Stand umfasst selbstverständlich nur jene, welche wirklich mit dem Feuergewehr betheilt sind ; Officiere u. s. w. gehören zum streitbaren, aber nicht zum Feuergewelir-Stand. Gegenwärtig bilden alle Jene, welche in der Gefechtslinie wirken, den „Gefechts-Stand”, jene, welche nach Abschlag der Commandierten, Kranken u. s. w. de facto in der Front stehen, im Frieden den „aus­rückenden Stand”. Endlich bilden alle Jene, welche ihre Gebühren bei einer und derselben Unter-Abtheilung angewiesen und ausbezahlt erhalten, den „Verpflegs - Stand” derselben.

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