Mittheilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs 9. (Neue Folge, 1895)
Oberlieutenant Andreas Kienast: König Friedrich II. von Preussen und die Ungarn bis zum Hubertsburger Frieden 1762 - Die Stellung der Protestanten in Ungarn
212 K i e n a s t. katholischen Glauben allein, der die Regierung zu ihrer strengeren Haltung gegen die Protestanten bestimmte; sie trat vielmehr für eine Staatsraison ein, welche die Glaubens e i n h e i t als eine Noth- wendigkeit zum Zusammenhalte des Staatsgefüges und besonders der unaufhörlich zu neuer Auflehnung geneigten Ungarn betrachtet. Die Dynastie hatte gelernt, den Protestantismus seit seinem ersten Auftreten mit den Feinden ihrer Machtstellung Hand in Hand gehen zu sehen; sie musste daher in der Ausbreitung des Protestantismus in ihren eigenen Ländern stets auch eine politische Gefahr sehen. Die Protestanten in den Erblanden, wie in Ungarn hatten bisher sich stets zu Verbindungen mit dem Auslande geneigt und auch willig gezeigt, sich selbst gegen den eigenen Staat und dessen Monarchen verwenden zu lassen.x) Schon 1721 beklagten sich die Evangelischen neuerdings über Religionsbedrückungen, insbesondere über Wegnahme von Kirchen und forderten, dass Niemand zum Uebertritte zur katholischen Kirche, zur Ablegung des Eides bei Maria und den Heiligen, zur Theilnahme an Processionen und Ceremonien, die dem evangelischen Glauben widerstrebten, gezwungen werden solle, dass der Besuch ausländischer Universitäten freigegeben werde etc.; aber vergeblich. Die Klage wegen Verhinderung des Besuches ausländischer Universitäten ist alt und besteht auch unter Maria Theresia ungeschwächt fort. Die Zeitgenossen und auch die preussisch-protestantische Geschichtsschreibung unserer Tage geben sich den Anschein, als hielten sie dieses Verbot, besser gesagt, die Regelung des Besuches ausländischer Hochschulen durch beengende Vorschriften nur für einen Ausfluss des engherzigen confessionellen Standpunctes der Regierung; diese aber sah in den jungen, in’s Reich strebenden Leuten nur erbitterte, gewiss auch oft durch Verhetzung irregeleitete, gefährliche Träger der Verbindungen des Auslandes mit politisch und religiös unzufriedenen Elementen Ungarns.2) J) Vergl. Zwiedineck-Südenliorst, Geschichte der religiösen Bewegung in Inner-Oesterreich im 18. Jahrhundert (Archiv für österr. Geschichte, 53. Band Seite 487.) 2) Darauf beruht, dass man z. B. 1744 einen gewissen Butkay, der wegen des Studiums der Mathematik nach Preussen gegangen war, dort aber Militärdienst genommen hatte, bei seiner Rückkehr nach Ungarn vorlud, „um von selbem wegen anderer Begnicolis, so sich in Preussen aufhalten, Nachricht einzuholen.“ (Ungarisches Landes-Archiv, Acten der ungarischen Hofkanzlei, 1744, August, Nr. 19.)