Mittheilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs 9. (Neue Folge, 1895)

Oberstlieutenant Hausenblas: Oesterreich im Kriege gegen die französische Revolution 1792 (Fortsetzung) - Hauptmann Christen: Die Ereignisse bis zum Schlusse des Feldzuges - Herzog Alberts Unternehmung auf Lille

150 Christen. Die Liller Bürger aber dachten nicht daran, die Festung zu verlassen. Wohl sandte eine Anzahl von ihnen ihre Familien und Effecten nach Dünkirchen, *) blieb aber selbst in der Stadt. Die gesammte Bürgerschaft stellte sich, Schulter an Schulter der militärischen Besatzung, mit wahrem Feuereifer in den Dienst der Vertheidigung ihrer Vaterstadt* 2) — eine Pflicht, deren Erfüllung einem, der grossen, ausserordentlich starken, in jeder Richtung reich ausgerüsteten und versorgten Festung Lille gegenüber nur kleinzahligen, unverhältnissmässig schwachen, mit durchaus unzu­länglichen Mitteln ausgestatteten Angreifer allerdings als nicht überschwänglich heldenhaft angesehen werden mag; eine Pflicht aber, welche in das Verständniss und in das Bewusstsein der Bürger anderer Städte, jenseits des Rheins, im Deutschen Reiche, im selben Feldzüge leider keinen Eingang gefunden hat!3) Die Verluste, welche die Angreifer während der ersten Vor­arbeiten zum Bombardement erlitten, waren unbedeutend. Oberst Baron Seckendorf erwähnt in einem Briefe aus dem Lager vor Lille, 25. September 1792, 4 Uhr Nachmittags: „ ...............Zwei Bauern sind erschossen, deren 500 mit Muth arbeiten. Jetzt (4 Uhr Nachmittags) arbeiten 1000 Soldaten; dann ist ein Bataillon in denen Tranchéen, eines zur Unterstützung. All’ dieses geschieht, um zu dem Bombardement zu gelangen und Jedermann zweifelt, dass wir dazu gelangen würden. Es ist schwere Arbeit, aber wir mussten es unternehmen, weil man uns ansonsten wegen unserer Untliätigkeit beschuldigt haben würde.“ Mit Tagesanbruch des 26. waren die Tranchée — auf etwa 400»« Länge — mit der Redoute am linken Flügel, sowie die am J) Derode, „Histoire de Lille“, tome 3, page 114. 2) „In diesem Augenblicke bombardiert man Lille“, sagte ein Deputierter in der Sitzung des National-Convents am 28. September 1792; „aber ich bitte die Versammlung, hiewegen nicht im Geringsten beunruhigt zu sein. Die dortige Gemeindevertretung hat sich zusammengethan und ist bereit, eher zu sterben, als den Platz zu übergeben. Ueberdies würden wohl 100.000 Mann nöthig sein, diese Festung einzunehmen; und der Oesterreicher sind keine 20.000.“ Moniteur Seite 1159. Ueber das Bombardement von Lille und die Haltung der Liller siehe auch Moniteur, Seiten 1173, 1181, 1182, 1193, 1195, 1198, 1203, 1206, 1211, 1215, 1217, 1224, 1228 u. a. m. 3) Siehe Abschnitt VI, Custine’s Einbruch in Deutschland.

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