Mittheilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs 4. (Neue Folge, 1889)
Die Heere des Kaisers und der französischen Revolution im Beginn des Jahres 1792. Als Einleitung zur Schilderung der Kriege Oesterreichs gegen die französische Revolution. Mit Benützung der Vorstudien zu dem in Bearbeitung befindlichen historischen Werke über Erzherzog Carl von Oberstlieutenant M. E. von Angeli
Die Heere des Kaisers und der französischen Revolution 1792. 101 ihrer Vorzüglichkeit zu zweifeln, nicht vorlag; Lacy aber, der so grossen Einfluss und so grosse Autorität besass, solche Aufstellungen auch besonders zu bevorzugen schien. Wie in anderen Dingen, so beugte man sich auch hier bedingungslos den gerade herrschenden Ideen. Defensiv - Stellungen mit unverhältnissmässig weit ausgedehnten Vorposten-Linien, welche so lange unverändert beibehalten wurden, bis ein neuer Marsch oder ein Angriff eine Aenderung erzwang, charakterisirten die Kriegführung. Die Vertheidigung dieser Stellungen wurde in vollkommen passiver Art geführt, die zurückgeworfenen Vorposten immer nur theilweise unterstützt und hiedurch viele einzelne langdauernde Gefechte herbeigeführt, die schliesslich doch zumeist mit dem Rückzuge endeten. Aus dieser Defensive entwickelte sich eine wenig kräftige Offensive, welche eigentlich in nichts Anderem bestand, als in einem methodischen Vorschieben der Armee in vier oder fünf Colonnen auf ebensovielen Strassen; von Stellung zu Stellung, aus deren letzter dann jede einzelne der Colonnen gegen ihr specielles Object zum Angriffe überging. Hiebei mussten die Colonnen-Commandanten ihre Specialaufgaben bestens zu lösen suchen, vor Allem aber die Colonnen- Téten in gleicher Höhe und die Verbindungen unter sich erhalten. Bei einem solchen Vorgänge kam der Gegner leicht in die Lage, die Absicht des Angreifers zu erkennen und sich dann mit überlegener Kraft auf den entscheidendsten Punct zu werfen. Solche Angriffsweise forderte vor Allem Colonnen-Commandanten von entschiedenem Talente und einer grossen Initiative und diese war durch das allgemeine System der Centralisation und durch die besonderen Herkömmlichkeiten und Einrichtungen der damaligen Armee eher unterdrückt als gefördert. Die taktische Schulung der königlichen französischen Armee bis 1789 war eine den im übrigen Europa massgebenden Ideen und Formen angepasste und im Wesentlichen nicht von der Taktik der Kaiserlichen verschieden. Lineare Formen, vertheiltes Geschütz, eigene Formationen für das wenig entwickelte zerstreute Gefecht, künstliche und zahlreiche Bewegungsformen und doch dabei starres, ungelenkes Manöver, concentrirte Leitung und