Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs 1. (Neue Folge, 1887)

Erinnerungen aus dem Leben des FM. Grafen Radetzky. Eine Selbstbiographie

Erinnerungen aus dem Leben des FM- Grafen Radetzky. 25 häuser waren fast stets gefüllt. Die starken, anhaltend förcirten Märsche hatten die Truppen bei der grossen anhaltenden September­hitze sehr abgemattet. Ohne Fürsorge sich selbst überlassen und von den ungünstigen Gefechten demoralisirt, eilte der Soldat den Kneipen zu, um im Weine seinen Unmuth zu vertrinken. Die in dieser Stadt im Monate September den abgelaufenen, halbtrockenen »Lagi« entsteigenden, ungesunden Ausdünstungen brachten gefähr­liche Krankheiten zum Ausbruche, Fieber aller Art nahmen zu und impestirten die für die Aufnahme der Kranken bestimmten, ohnehin kaum hinreichenden Häuser. Der Mangel an Aerzten und Betten war derart, dass nur die einreissende Sterblichkeit den Mängeln der Pflege und Unterbringung theilweise abhelfen konnte. Die Vorräthe der Approvisionirung, vorzüglich jene an Fleisch, neigten sich zu Ende. Man schritt zum Verbrauch der Cavalleriepferde, sowie zur Ausgabe von Papiergeld für die Löhnung und die Gagen. In der Hoffnung auf einen Entsatz vergass man während der ersten vierzehn Tage auf alle Vorsichtsmassregeln, welche für die Erhaltung und längere Vertheidigung der Garnison zu treffen nöthig gewesen wären. Ja, man wähnte sich ganz eingeschlossen, bis ein, zur Herbeischaffung von Heu ausgeschicktes Cavallerie- commando zufällig längs des Seraglio bis an den Po streifte, ohne dem Feinde zu begegnen. Nun begann man, auf die Besetzung dieser Gegend vorzudenken, jedoch die Ausführung unterblieb, da auch der Feind sich an dieser Stelle zu zeigen anting. Dem- ungeachtet gelang jede ernstliche Fouragirung, die man auf dieser Seite vornahm, mit sehr wenig Opfern und Anstrengungen. Der mit dem Hauptquartier bei der Armee und in Mantua eingetroffene Militär-Commissär Castiglione verpflichtete sich, gleich­falls unter der Bedingung, dass keine Zwangsmassregel veranlasst würde, die Bedürfnisse der Truppen in Mantua bis Ende December sicherzustellen. In den Gast- und Traiteurhäusern herrschte Leben, so lange noch baares Geld circulirte, mit dessen Abnahme und den vielen Krankheiten rissen Missmutk und Traurigkeit auch in der Bevölkerung ein. Der Feldmarschall ergriff alle Mittel, um die täglich sich ver­schlimmernde Lage dem (Hof-Kriegs-Raths-) Präsidenten in Wien bekannt zu machen, so wie den nun in Tyrol commandirenden

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