Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs 1. (Neue Folge, 1887)

Erinnerungen aus dem Leben des FM. Grafen Radetzky. Eine Selbstbiographie

8 Erinnerungen aus dem Leben des FM. Grafen Radetzky. blieb aber ohne besondere Wirkung, und ich schreibe diesen Um­stand zweien Ursachen zu. Die erste davon ist, meine ich, dass man an einer veralteten Taktik festhielt, die in ihren Grundsätzen richtig gewesen sein mag, nie aber in der Anwendung und im Detail. Die Defensive, und noch dazu eine unthätige, ward beinahe immer zur Richt­schnur genommen, obgleich unzählige Beispiele uns bewiesen, dass wir in den Detailgefechten stets siegten, wenn wir dem Feinde mit blanker Waffe zu Leibe gingen, in der Defensive aber immer den Kürzeren zogen, weil, trotz des beliebten Feuers aus geschlos­senen Linien, die französischen Tirailleurs unsere Flanken und unsern Rücken bald gewanneu. War dies geschehen, dachte man nur noch an eine, so viel als thunlich gesicherte, rückgängige Bewegung, die umso schneller begonnen wurde, als man nicht gewohnt war, die Marschhindernisse, welche die Terraingestaltung mit sich brachte, mit grösseren Körpern und im Angesichte des Feindes zu überwinden. Man glaubte, die Bekämpfung des Gegners könne nur durch das Feuer bewirkt werden und stellte sich stets so breit, dass diese Breite immer ohne Yerhältniss zur Tiefe blieb. In solchen ausgedehnten Linien war einem unterneh­menden Feinde gegenüber natürlich jeder Punkt gefährdet. Die Reserven mussten also auch zersplittert werden, während die Hauptreserve nur höchst selten in Thätigkeit kam, da sie die Entfernung und Ausdehnung der Stellung der Armee hinderte, mit voller Kraft und in angemessener Zeit an der rechten Stelle, war diese auch erkannt worden, zu erscheinen. Ueberhaupt war unter solchen Umständen eine Thätigkeit im Wirken und Befehlen ganz unthunlich. Der zweite Grund, warum die tapferen Handlungen der Armeetheile keine grossen Erfolge erringen konnten, war, dass man nie einen feststehenden Operationsplan hatte und auf den Gang des Krieges viele Personen einwirkten, die weder durch Geist noch durch Liebe zur Sache dazu berufen waren. Ohne dass man mit Klarheit weiss, was man zu thun hat, gelingt keine Handlung, am wenigsten eine kriegerische. Mit diesem Wissen kommt Thatkraft, Einigkeit in das ganze Wesen des Kriegsheeres und auch ein gewisses Wagen, das gewöhnlich das Glück zwingt, sich günstig zu zeigen.

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