Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1885)
Hauptmann Duncker: Die Invasion Schlesiens durch die königlich preussischen Truppen im Monate December 1740
Die Invasion Schlesiens durch die k. preuss. Truppen im Monate December 1740. 3 Die militärische Lage Österreichs bei dem Regierungsantritte der Königin Maria Theresia. In frühester Morgenstunde des 18. October war der schwer krank darniederliegende Kaiser Carl VI., der letzte Habsburger, mit den Sterbesacramenten versehen worden. Als sich der Zustand des Monarchen als ein hoffnungsloser darstellte, traten die Minister, unter Vorsitz des Obersten Hofkanzlers Grafen Philipp Ludwig von Sinzendorff, zu einer Conferenz zusammen, um zu berathen, in welcher Weise für die zukünftige Sicherheit der Erbkönigreiche und Länder vorgesorgt werden könnte. Zugegen waren Graf Gundacker von Starhemberg, Landmarschall Graf Harrach, Obersthofmeister Graf Königsegg, der Hofkriegsraths-Präsident Feldmarschall Graf Harrach, General- Kriegscommissär Graf Kesselrode, der ungarische Kanzler Graf Batthyányi und der böhmische Oberst-Kanzler Graf Kinsky *). Nothwendig wäre es gewesen, in dieser Conferenz schon umfassende Massregeln zur Sicherung gegen jede von aussen drohende Verwicklung zu treffen, den kräftigsten Schutz der Westgrenze gegen Bayern in’s Auge zu fassen, von dessen Churfürst Carl Albert sicher der Versuch vorausgesetzt werden konnte und auch vorausgesetzt wurde, die Verwirklichung der pragmatischen Sanction zii hindern* 2). Man musste sich klar darüber sein, dass in solch’ kritischen Augenblicken im Leben der Staaten die Stärke der verfügbaren Truppen allein ausschlaggebend und mehr werth ist, als die sämmtlichen Garantien der pragmatischen Sanction, welche man in den Archiven verwahrte. Die Conferenz begnügte sich jedoch, sehr bescheidene Massnahmen zu beschliessen: Man hielt es für das Zuträglichste, gleich eine Anzahl Truppen nach den böhmischen Landen abrücken zu lassen; zu dem Ende sollten von acht Infanterie - Regimentern, deren Heranziehung aus Ungarn, Croatien und Slavonien bereits beschlossen war, die drei Infanterie-Regimenter Harx’ach, Bottá und Browne nebst Dessewffy-Huszárén nach Schlesien, die fünf Infanterie- Regimenter Franz und Carl Lothringen, Grünne, Kolowrat und Max Hessen nebst Liechtenstein-Dragoner nach Böhmen und Mähren den Marsch sofort an treten. Von den ersterwähnten Regimentern und einem Theile derjenigen, welche in Böhmen und Schlesien Garnison hielten, nebst den in den nächsten ungarischen Comitaten gelegenen Cavallerie - Regimentern, könnte „nötliigenfalls ein Corps d’armée zusammen- und entweder in der Gegend von Budweis oder Pilsen gesetzt und andurch sowohl einem besorglichen Einfall in *) Kriegs-Archiv; Hofkriegsriithliclte Acten 1741; I, 1. 2) Churfürst Carl Albert von Bayern war bereits an den Kaiser mit förmlichen Ansprüchen auf die Nachfolge in Österreich herangetreten. Vergl. Arneth, „Maria Theresia's erste Regierungsjahre“, I. Band, Seite 95, auch Seite 76 u. ff. 1*