Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)

Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr - J. Nosinich, Oberst im k. k. Kriegs-Archive: Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763 bis 1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreiches gegen die französische Revolution

IV. Der bayerische Erbfolgekrieg 1778—1779. 21 die Absichten des Feindes nicht erkannt würden. Ein Glück sei es gewesen, dass Niemand an die von ihm unternommene Operation geglaubt; auf diese Vorausetzung hin habe aber auch der Prinz nur selbe beschlossen; sie war so gewagt, dass man Niemanden mehr rathen könnte, sie nochmals zu versuchen. Angesichts der Nähe des Feindes hatte indess Feldmarschall v. London nicht geglaubt, das Gebirge in der Ebene vertheidigen zu können, indem er ans der von Haus aus gewählten Centralstellung Niemes die aus dem Gebirge debouchirenden getrennten Colonnen des Gegners mit Übermacht einzeln anfiel und vernichtete. Er be­schloss vielmehr, mit Rücksicht auf die Überlegenheit der Verbün­deten, die offene Gegend von Niemes-Gabel und die Entfernung des Corps Liechtenstein, die Stellung bei Neuschloss, welche er am 1. August bezogen hatte, Tags darauf wieder zu räumen und über Hirschberg und Weisswasser nach Kosmanos zu rücken, wohin ihm Liechtenstein und Gyulai zu folgen hatten, um sich erst von da aus den weiteren Unternehmungen des Feindes zu widersetzen. In Folge dessen erreichte die Hauptmasse der Armee am 2. August das Lager bei Hirschberg, die Divisionen Gyulai und Prinz de Ligne gelangten von Gabel und Niemes nach Hühnerwasser. Von feindlicher Seite war an diesem Tage die Hauptmacht nach Rohrsdorf, die Corps Podgursky und Belling nach Gabel, das Corps Möllendorf nach Böhmisch-Kamnitz gerückt. Behufs Concentrirung der Armee hinter der Iser wurde am 3. August die Rückzugsbewegung fortgesetzt und es gelangten an diesem Tage: die Hauptmasse nach Weisswasser und Zolldorf, die Divisionen Gyulai und Prinz de Ligne nach Bakow, das Corps Liechtenstein, welches FML. v. Riese von Aussig und Paschkopole an sich gezogen hatte, nach Gastorf. FML. v. Graeven marschirte mit 4 Escadronen nach Münchengrätz zur Besetzung dieses wichtigen Iser-Uberganges und Zerstörung der übrigen Brücken in der Gegend. Die Hauptmacht des Feindes rückte am 3. August nach Zwickau und Krombach, die Corps Möllendorf, Podgursky, Belling etc. blieben in ihren früheren Stellungen und schoben blos die leichten Truppen über Böhmisch-Leipa und Reichstadt vor. Der Rückzug der unter Feld­marschall v. Loudon stehenden Armee - Abtheilung, sowie dessen Berichte, die Iser-Linie nicht halten zu können, hatten wegen der Behauptung Böhmens nicht allein im grossen Hauptquartier, sondern auch in Wien die ernstesten Besorgnisse wachgerufen. Die Kaiserin hielt den Zeitpunkt gekommen, mit dem Feinde in Friedensunterhandlungen zu treten, der Kaiser hingegen hatte den Entschluss gefasst, durch den Angriff auf die ihm an der Elbe gegenüberstehenden Streitkräfte den Operationen eine andere Wendung zu geben. Diese Meinungs­verschiedenheiten gaben, wie in dem nächsten Abschnitte dargelegt

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