Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)

Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr - J. Nosinich, Oberst im k. k. Kriegs-Archive: Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763 bis 1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreiches gegen die französische Revolution

88 Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr etc. das Wiener Cabinet entweder einen nachtheiligen Frieden schliessen oder einen Doppelkrieg führen müsste, in welchem sein Unterliegen gewiss wäre (28. October). Inzwischen war die russische Erklärung am 20. October in Wien überreicht worden und hatte daselbst einen so tiefen Eindruck gemacht, dass Fürst Kaunitz sie zum Gegenstände einer Erörterung mit dem Kaiser zu machen sich veranlasst fand: Russland werde, setzte der Staatskanzler in einem Schriftstücke vom 30. October Sr. Majestät auseinander, an dem Kriege theilnehmen, wenn der Friede während des Winters nicht zu Stande käme. In diesem Falle aber würde er nur unter solchen Bedingungen geschlossen werden können, die dem Könige Zusagen, ausser man fände Mittel, gegen die vereinigten Streit- la-äfte der Preussen und Russen einen erfolgreichen Krieg zu führen. Er habe alle zu treffenden Massnahmen in reifliche Erwägung gezogen und sei zu dem Ergebnisse gelangt, dass eine Angelegenheit von solcher Wichtigkeit schriftlich allein nicht abgemacht werden könne; sie müsse zwischen dem Kaiser und der Kaiserin besprochen und entschieden werden. Es ergehe daher an den Kaiser die Bitte, auf einige Tage von der Armee nach Wien zu kommen. In ähnlicher Weise äusserte sich auch Maria Theresia. Es sei keine Zeit zu verlieren, schrieb sie an ihren Sohn, die Monarchie stehe auf dem Punkte, zusammenzubrechen, wofern nicht Opfer gebracht und mit Berücksichtigung der politischen Lage Entschlüsse gefasst werden *). Dieses Schreiben beantwortete Kaiser Josef II. aus Prag Anfangs November folgendermassen: „Solange die kritischen Verhältnisse in Schlesien und Mähren andaueru, könne er sich von der Armee nicht entfernen. Es sei nicht zu bezweifeln, dass für den Fall, als Österreich einen Krieg gegen die Gesammtstreitkräfte Preussens, Sachsens und Russlands ohne Reichs­hilfe und wirksamen Beistand von Seite Frankreichs führen sollte, es kaum im Stande wäre, die ungeheuere räumliche Ausdehnung seiner Provinzen zu vertheidigen. Der Krieg würde selbst dann für die Monarchie mit Nachtheilen verbunden sein, wenn sie das Glück hätte, denselben im Gleichgewichte zu erhalten, denn ihr Gebiet würde trotz des dabei zu erwerbenden Ruhmes, verwüstet werden, was um jeden Preis zu vermeiden sei.“ „Für Russland bestehen keine Gründe, in dem obschwebenden Streite direct und offensiv gegen Österreich aufzutreten, da es nichts zu gewinnen habe.“ „Von Frankreich habe Österreich nichts zu besorgen. Der Geld­mangel, der Krieg gegen England, die Schwäche und zum Theile der böse Wille der Minister seien sichere Bürgen dafür.“ ') Arneth: „Maria Theresia und Josef II. Ihre Correspondenz“.

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