Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)

Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr - J. Nosinich, Oberst im k. k. Kriegs-Archive: Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763 bis 1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreiches gegen die französische Revolution

60 Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr etc. beiden königlichen Brüder gleichzeitig den bisherigen Kriegsschauplatz in Böhmen räumen würden. Es wäre wohl auch denkbar, dass der König über Trautenau und Schatzlar durch die Lausitz nach Reichen­berg marschirte, sich mit dem Prinzen Heinrich vereinigte und dann von dieser Seite einen neuen Masseneinfall in Böhmen versuchte. Prinz Heinrich sei schon mit der Hauptmasse seines Heeres von Niemes nach Neuschloss gerückt und habe plötzlich die Thäler von Reichenberg und Gabel geräumt. Diese Verschiebungen deuten eher auf einen Vor- als Rückmarsch und es sei nicht anzunehmen, dass sie blos zu dem Behufe unternommen wurden, Winterquartiere in Sachsen zu beziehen (11. September). Der unterbrochene Zug der königlichen Armee nach Schlesien weist augenscheinlich auf neue Angriffspläne hin. Sollte sich Prinz Heinrich in Leitmeritz festsetzen, der König aber durch Schlesien über Friedland und Gabel neuerdings in Böhmen eindringen und gegen Melnik operiren, so würde dies der k. k. Armee ungeheuere Verlegenheiten bereiten. Die Gegend zwischen der Elbe und Iser sei in der Front durch das Heer des Prinzen Heinrich und rückwärts durch die Streitmacht des Feldmarschalls v. Loudon gänzlich aufgezehrt und verfüge über keine Ressourcen mehr (12. Sep­tember). Loudon sei nicht zu bewegen, gegen den Prinzen Heinrich vorzurücken. Die Elbe-Armee würde mit der Hauptmasse gegen die II. preussische Armee über Münchengrätz gegen Leitmeritz ziehen, um sie aus Böhmen zu vertreiben, bevor noch der König zu ihrer Unterstützung herankomme (14. September). Laut Nachrichten soll ein Corps der königlichen Armee durch die Lausitz gegen Friedland sich gewendet haben. Seine — des Kaisers — Absicht war von jeher auf die Lausitz gerichtet und es werden demnach am 27. September 5 Grenadier-Bataillone und ein Theil der Reserve - Artillerie nach Sobotka rücken. Die Meldungen des Feldmarschalls v. Loudon besagen, die Armee des Prinzen Heinrich habe Teplitz verlassen und sei in ihrer vollen Stärke nach Sachsen abgezogen. Es sei daher mit Sichei’heit anzunehmen, dass von Seite des Feindes in diesem Jahre jede grössere Operation unterbleiben werde. Zur Verstärkung des FML. Marquis Bottá werden nun 8 Bataillone und 12 Escadronen unter Commando der Generale Zeschwitz, Neugebauer und Barco nach Mähren abrücken. Es handele sich jetzt darum, der k. k. Armee in Böhmen die Winterquartiere anzuweisen und dies könne nur mit Rücksicht auf den im nächsten Feldzuge zu befolgenden Kriegsplan geschehen. Für jede der folgenden drei Eventualitäten: 1. Herbei­führung des Friedens im Winter, 2. Fortsetzung des Krieges im nächsten Jahre unter Einhaltung der Defensive, 3. Fortsetzung des Krieges durch Ergreifung der Offensive mittelst Einfalles in die Lausitz — für jeden dieser Fälle müssten bezüglich der Winterdislocation der Armee andere Anordnungen getroffen werden. Wenn die Opera-

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