Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)
Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr - J. Nosinich, Oberst im k. k. Kriegs-Archive: Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763 bis 1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreiches gegen die französische Revolution
IV. Der bayerische Erbfolgekrieg 1778—1779. 57 gungen zu verleiten, noch den Kaiser Josef in seinen Entschlüssen zu erschüttern vermocht. Durch fortwährende Verstärkung des k. k. Heeres, Vervollständigung der Verschanzungen der Lagerstellung am rechten Elbe- Ufer, durch die mit jedem Tage zunehmende Bewegungs- und Manövrirfähigkeit der Österreicher drohte eine Reaction einzutreten, welche der preussischen Armee mit ihrem beschränkten Manövrir- und geringen Ausweichraume an den Elbe-Quellen im Riesengebirge verderblich werden konnte, wenn die Kaiserlichen die Offensive ergriffen. In Erwägung aller dieser misslichen Verhältnisse beschloss der König, den Rückmarsch aus Böhmen am 8. September anzutreten und traf demgemäss seine Anordnungen. Diese letzteren waren im grossen Hauptquartiere des Kaisers sogleich bekannt geworden, verursachten indess noch immer einige Bedenken, weil die Verhältnisse bei den an der Iser einander gegenüberstehenden Streitkräften noch nicht völlig geklärt waren. Josef II. berichtete Anfangs September diesbezüglich nach Wien: Sämmtliche Deserteure versichern, dass der König Vorbereitungen treffe, um in einigen Tagen abzumarschiren. Die Elbe-Armee halte tapfer Stand und bei der Iser-Armee ereigne sich nichts Besonderes. Er habe zur Aufrichtung und Berathung Loudon’s den Generalmajor Fürsten Hohenlohe nach Münchengrätz gesandt. Obgleich der Abzug des königlichen Heeres mit jedem Tage zu gewärtigen sei, bleibe doch die allgemeine Kriegslage von den Verhältnissen und Unternehmungen bei der Armee des Prinzen Heinrich abhängig. Das preussische Heer habe grosse Verluste, besonders an Pferden, erlitten; Reiterei und Artillerie seien fast vernichtet. Am 2. September sandte die Kaiserin einen Brief für den König von Preussen an ihren Sohn, in welchem die hohe Frau einen neuerlichen Versuch zur Herbeiführung des Friedens machte. Als Grund für diesen Schritt gab sie an, Friedrich II. könnte, da er in Böhmen zurückgewiesen, in Mähren einbrechen und hiedurch der Monarchie einen ungeheuren Schaden zufügen. Um dem Kriege den Charakter der Gewaltthätigkeit zu geben und den Kampf nach dem Wunsche des Kaisers auf das Äusserste zu treiben, müsste man bedeutende Mittel in Bereitschaft halten. Hiezu sei aber keine Möglichkeit vorhanden. Die numerische Überlegenheit des Gegners solle sich auf 30.000 bis 40.000 Mann belaufen. Österreich vermöge jedoch in den nächsten Feldzügen keine zahlreicheren Streitkräfte in’s Feld zu stellen, als jetzt schon vor dem Feinde stehen. Im Gegentheile, würde es noch ein Glück sein, wenn überhaupt in der Zukunft die gegenwärtige Heeresstärke nicht vermindert werde. Das Überwintern der preussischen Armee in Böhmen und Schlesien schliesse unbedingt die Möglichkeit