Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)

Das Kriegsjahr 1683 (Mit eigener Paginirung) - Die Belagerung Wiens

207 Ende August die ganze Befreiungs-Armee sich in Bewegung setzen dürfte, um in den ersten Tagen des September die Residenz zu ent­setzen. Die kaiserliche Cavallerie sei bereits aus dem Marchfelde west­wärts abgezogen und werde nach Überschreitung der Donau über das Gebirge gegen Wien vorrücken. Am Vormittage des 24. August entdeckte der rührige Mineur, Hauptmann Hafner, einen gefährlichen feindlichen Minengang, welcher bereits 14m unter dem Ravelin vorgetrieben war, traf in der Tiefe von 3m auf diese Galerie und verjagte die türkischen Mineure, welche in ihrer hastigen Flucht ihre Werkzeuge liegen Hessen. Nachmittags gab es freudige Bewegung in der Stadt, da man von den Thürmen der Stadt den Sieg Lothringen’s über den Pascha von Grosswardein am Bisamberge verfolgen konnte (S. 102 u. £). Dieser auf Befehl des Grossveziers von Tököly gegen das Reiter-Corps des Herzogs von Lothringen entsendete Pascha war noch des Morgens durch 4000 Mann der Belagerungs-Armee unter dem Pascha von Warasdin verstärkt worden, welche auf Schiffen und Flössen, an welche die schwimmenden Pferde gekoppelt waren, die grosse Donau bei der „Fahnstange“ passirten. Der Übergang war schon am 23. August begonnen worden. Die Türken stürmten um 9 Uhr Abends, nachdem das hef­tigste Geschützfeuer den ganzen Tag hindurch die bereits stark be­schädigten Mauern erschüttert hatte, unter dem betäubenden Klange ihrer barbarischen Kriegsmusik sowohl gegen das Burg-Ravelin, als auch gegen den Graben vor der Löbel-Bastion. Es gelang den Janit- scharen, sich anfänglich im Retranchement des Ravelins festzusetzen, doch wurden sie durch die verzweifelten Anstrengungen der tapferen Besatzung wieder glücklich hinausgeworfen. Man erwehrte sich des Gegners nicht nur mit Morgensternen, Sensen und Hacken, sondern übergoss ihn auch mit siedendem Pech und Wasser, so dass derselbe 200 Mann verlor. Von nun an wurden auf dem Minoriten-, Burg- und Ballplatze Pech und Wasser in grossen Kesseln siedend erhalten, um im Bedarfsfälle in Kübeln von Weibern und Kindern auf den Wall getragen zu werden1). Abends um 10 Uhr unternahm die Besatzung selbst einen Angriff auf die feindlichen Werke vor der Löbel-Bastion; zwei Stunden *) *) Ein uns erhaltenes Verzeichniss (1er vom bürgerlichen Zeughause aus­gegebenen Munition und sonstiger Kriegsbedürfnisse beziffert die Menge des ver­brauchten Pech auf 664 Centner.

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