Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)

Das Kriegsjahr 1683 (Mit eigener Paginirung) - Die Belagerung Wiens

202 23. August 200 polnische Soldaten als Verstärkung in die Stadt gelangten, denn am folgenden Tage bestürmten 13.000 Türken die obere Stadt. Die tapfere Besatzung machte alle ihre Anstrengungen zu nichte. Die entschlossene Haltung der Klosterneuburger blieb nicht ohne Rückwirkung auf die Türken, welche es nicht mehr wagten, sie anzu­greifen; diese Haltung ermuthigte auch andere Ortschaften und Stifte zu gleichem Widerstande. Die Thatsache allein, dass Klosterneuburg den kaiserlichen Waffen erhalten blieb, war von nicht zu unterschätzendem Vortheil für den ungehinderten Anmarsch der Entsatz-Armee, welche im Gegenfalle ent­weder zur Wiedereroberung des wichtigen Punktes oder zu einer weiter ausholenden Bewegung hätte schreiten müssen, um den Ort zu umgehen. In Lilienfeld, woselbst sich das vertheidigungsfähige Kloster der Cistercienser befand, hatten sich zu Beginn der Streifzüge der Türken viele Adelige mit ihren Familien, sowie eine Menge Land­volk geflüchtet. Da aber die Tataren, trotz des schwierig zu passirenden Gebirges, bald auch hier erschienen, flohen die meisten weiter nach Salzburg und Tirol. Doch der 63jährige Prälat des Klosters, Mathias Koll- weis, fasste den herzhaften Entschluss, das Stift gegen die Feinde zu vertheidigen und organisirte binnen Kurzen aus den Geistlichen und dem Landvolke eine kleine Abtheilung, welche wohl mit Waffen und Munition versehen war. Er liess sogar entfernter liegende Pässe ver­hauen, was ihm jedoch wenig nützte, da er sich bald auf das Kloster allein angewiesen sah. Am 18. und 23. Juli versuchten die Tataren, denen es nach den Schätzen des reichen Stiftes gelüstete, die vor dem Kloster errichteten Versch'anzungen zu stürmen. Allein die tapferen Vertheidiger waren auf ihrer Hut und ihre Doppelhaken und Musketen trafen sicher. Am 21. und 25. Juli gewannen die Lilienfelder sogar den Muth, einen längeren Ausfall zu unternehmen, wobei es ihnen jedesmal gelang, eine türkische Abtheilung zu zersprengen und ihnen ihre ganze Beute abzunehmen. Ungleich bedeutender war eine Unternehmung der rührigen Besatzung am 29. Juli, welche sich bis Klein-Zell (drei Meilen östlich Lilienfeld) erstreckte. Dortselbst lagerten Tataren mit gefangenen Christen und ziemlicher Beute. Circa 300 der besten Schützen über­fielen die eben bei der Mahlzeit befindlichen Türken durch ein wohl­gezieltes Musketenfeuer und trieben den in wilder Flucht davoneilenden Rest den Hohenberger Bauern entgegen, welche ihnen hart zusetzten. 200 Christen wurden bei dieser glänzenden Affaire befreit, und eine überaus grosse Beute an Pferden, Rüstungen und Kostbarkeiten gemacht.

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