Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)
Das Kriegsjahr 1683 (Mit eigener Paginirung) - Die Belagerung Wiens
201 welchen einzelne Städte, Schlösser, Stifte, Kirchen und Dörfer vor der sonst unausweichlichen Verwüstung bewahrt wurden. Klosterneuburg, berühmt durch das uralte Stift, wurde schon am 8. Juli, als das Camaldulenserkloster auf dem Kahlenberge noch brannte, durch feindliche Streifparteien beunruhigt. Der Sakristan des Stiftes, Marcellin Orthner, welcher mit dem Priester Wilhelm Lebsaft zur Bewachung des Stiftes zurückgeblieben war, während die übrigen Chorherren mit den Kirchenschätzen nach Passau geflüchtet, stellte sich an die Spitze der bewaffneten Bürgerschaft und Hess die obere Stadt in Vertheidigungszustand setzen. Die untere Stadt wurde der ungünstigen Lage wegen dem Feinde preisgegeben. Bis zum 15. Juli hatte Orthner die Bürgerschaft militärisch organisirt und sie in Infanterie, Cavallerie und Artillerie getheilt. Am 16. Juli äscherten die Türken die untere Stadt (300 Häuser) ein und versuchten vom Kierling- Thal her einen Sturm auf die obere Stadt, der aber abgeschlagen wurde. Mit Mühe wurde das Stift gerettet, welches von dem Brande der unteren Stadt mit ergriffen wurde. Der Herzog von Lothringen, von der Noth der Stadt unterrichtet, sendete noch am 18. Juli den Lieutenant Beck mit 48 Mann und, über dessen Bericht, noch weitere 40 Mann mit Lebensmitteln und Munition nach Klosterneuburg (Seite 81). Dieser Zuwachs an geschifften Soldaten war Orthner höchst willkommen, denn am 26. Juli stürmten 29 Fähnlein Spahis und 9 Fähnlein Janitscharen gegen die Ringmauer der oberen Stadt, welche bereits eine breite Bresche aufwies. Zündende Worte des tapferen Marcellin Orthner ermuthigten die Vertheidiger zu heroischem Widerstande und bald sahen sich die Türken nach vielen Verlusten zum Rückzüge genöthigt, da auch der commandirende Pascha verwundet worden war. Die rachsüchtigen Osmanen verbrannten nunmehr auch die Wiener Vorstadt. Die Vertheidiger besserten unermüdlich die theil- weise verfallene Stadtmauer aus. Mittlerweile hatte der Herzog von Lothringen den Oberst Heissler über die Donau in die Gegend von Klosterneuburg gesendet, dem es in mehreren glücklichen Gefechten gelang, die Türken empfindlich zu schlagen (so auch am 11. August [Seite 971). Die Wichtigkeit Klosterneuburgs für den künftigen Anmarsch zum Entsätze Wiens erkennend, bestimmte der Herzog von Lothringen den General-Feldwachtmeister, Conte Vecchia zum Commandanten dieser Stadt. Am 22. August erschienen die Türken neuerdings in der unteren Stadt, wurden aber durch einen unvermutheten Ausfall der Besatzung theils niedergemacht, theils vertrieben. Es war ein Glück, dass am