Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)

Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr - J. Nosinich, Oberst im k. k. Kriegs-Archive: Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763 bis 1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreiches gegen die französische Revolution

IV. Der bayerische Erbfolgekrieg 1778—1779. 33 diese Nachrichten in der k. k. Armee hervorgebracht haben, denn es gäbe Niemanden, der nicht zu dem Glauben hinneigte, er besässe das Geheimniss hievon und wolle es nicht offenbaren. Die letzten Briefe Josef’s versetzten die Kaiserin in eine äusserst trübe Stimmung und grosse Aufregung. Am 31. Juli schreibt sie an den Kaiser: „Seit vier Tagen beschäftige sie sich mit ihrer peinlichen Lage. So lange der Kaiser die kritischen Verhältnisse bei der Armee nicht schilderte, unterdrückte sie mit Mühe ihre Besorgnisse, um ihn zu beruhigen. Er müsse ihr die Gerechtigkeit widerfahren lassen, dass sie trotz ihrer gegentheiligen Meinung zu Allem beigetragen habe, als ob es ihre eigene gewesen wäre. Dies habe ihr weder Selbstüberwindung noch Anstrengung gekostet, da es für ihren Sohn geschehen sei. Doch von dem Augenblicke an, als er seine Lage sehr kritisch darstellte, indem er berichtete, dass er gezwungen sein werde, hinter die Elbe bis Kolin zurückzuweichen, Prag zu räumen und Böhmen preis­zugeben, sobald der König die Armee aus der Stellung hinter der Elbe ver­dränge, änderten sich ihre Ansichten. Durch dessen fernere Mittheilungen aber, dass es in der Macht des Feindes stände, die k. k. Armee jederzeit aus ihren Positionen herauszumanöveriren oder herauszu­schlagen, da die Führung eines Defensivkrieges in Böhmen wegen der ungünstigen Lage und Gestaltung des Landes fast unmöglich erschiene, wurde sie in ihren früheren Anschauungen völlig bestärkt. Er gab schliesslich selbst zu, dass unter den gegebenen kritischen Verhältnissen es eine grosse Wohlthat wäre, bei halbwegs ehrenhaften Bedingungen den Frieden zu schliessen und der sehr misslichen Lage ein Ende zu machen. Die k. k. Armeen zählten kaum mehr als 80.000 Streitbare und der Feind sei denselben um 50.000 Mann überlegen. „Wie sollte sie bei solchen Umständen nicht versuchen, die Fort­setzung eines Krieges zu verhindern, bei dem sie gleich im ersten Feldzuge ein Königreich verlöre, aus dem die Monarchie bisher die grössten Ressourcen und Revenuen gezogen? Wie könnte sie den Feind im Lande sich festsetzen sehen, ohne Gefahr zu laufen, dass er hiedurch seine Hilfsquellen für den nächsten Feldzug verdopple oder das occupirte Gebiet durch Beziehung der Winterquartiere daselbst erschöpfe und für ein halbes Jahrhundert zu Grunde richte? „Es sei daher unmöglich, den in Wien eingetroffenen Freiherrn v. Thugut nicht zurückzusenden, ohne sich vor dem König bloss- zustellen, der mit Überstürzung seine Minister von Berlin habe kommen lassen. „Sie werde Thugut mit den Gegenpropositionen die Rückreise antreten lassen und verlange von dem Kaiser nur, dass dann, wenn sie billige und den Verhältnissen angemessene Bedingungen erhalten sollte, sie von seiner Seite in der Friedenstiftung unterstützt werde. Mittheilungen des k. k. Kriegs-Archivs 1S83 3

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