Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)

Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr - J. Nosinich, Oberst im k. k. Kriegs-Archive: Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763 bis 1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreiches gegen die französische Revolution

IV. Der bayerische Erbfolgekrieg 1778—1779. 31 Preis wollte sie die ausgleichenden Unterhandlungen fortsetzen und durch Nachgiebigkeit ein Arrangement zu Stande bringen. Um nun den Kaiser über ihre Absichten aufzuklären und zu beruhigen, hatte die Kaiserin ihren Zweitältesten Sohn Leopold, Gross­herzog von Toscana zur Armee gesandt. Die Verstimmung Josefs II. war aber eine so hochgradige, dass er jede Einmischung in die Ver­handlungen, sowie überhaupt jede Mitwirkung an dem Zustandekommen eines Ausgleiches ablehnte. Da auch Fürst Kaunitz zu den An­schauungen des Kaisers über die Nachtheile der im Zuge befindlichen Unterhandlung hinneigte und der Monarchin seinen Beistand gegen den kriegerischen Sinn ihres Sohnes versagte, sah sich die von allen Seiten bedrängte Maria Theresia gegen ihren Willen veranlasst, den Friedensentwurf Friedrich’s II. nicht anzunehmen und demzufolge auch Freiherrn v. Thugut neuerdings in das preussische Heerlager nicht abgehen zu lassen. Erst die folgenden, vom Kriegsschauplätze eingehenden un­günstigen Nachrichten sollten, nach harten Kämpfen mit ihrem Sohne, eine Änderung in den Dispositionen der Kaiserin herbeiführen, wie aus der folgenden Correspondenz zu entnehmen ist. Am 21. Juli mel­dete Kaiser Josef nach Wien, dass der preussische General Möllendorf mit 20.000 Mann über Komotau in Böhmen eingebrochen und im Vormarsche auf Brüx sei. Hiedurch ward Feldmarschall v. Loudon gezwungen, die Elbe zu überschreiten und zur Deckung von Prag an die Moldau zu rücken. Drei Tage später berichtete er über den Abzug Möllendorf s aus Böhmen und von der Wahrscheinlichkeit, dass jetzt die Invasion des Königreiches durch die Armee des Prinzen Heinrich über die Lausitz stattfinden dürfte. Dies würde eine gross­artige Rückwirkung auf die strategischen Verhältnisse äussern und das k. k. Heer an der Elbe bestimmen, eine Stellung zu verlassen, in der es 19 Tage lang den Streitkräften des Königs die Stirn geboten, um über Pardubitz und Nechanitz nach Kolin hinter die Elbe abzu­ziehen. Er bitte daher um Verstärkungen, namentlich durch 5 Bataillone aus den Niederlanden, welche von den im Lande noch befindlichen 10 Bataillonen sofort der Armee nachzuschieben wären. Über die ihm — dem Kaiser — mitgetheilten Gegenpropositionen des Königs von Preussen wolle er keine Meinung äussern. Die Sache sei nicht mehr gut zu machen und er könne nur noch darauf denken, die Trümmer der Ehre des Staates und der seinigen zu retten, indem er entsprechend handle, sowie die Angelegenheit besser arrangirt oder der Eintritt des Waffenstillstandes entschieden geworden. Der Kaiserin waren auch Nachrichten aus Böhmen auf indirectem Wege zugekommen, dass Prinz Heinrich über Komotau in das Land eingefallen sei und nur noch drei Märsche von Prag entfernt stünde. Sollte Böhmen verloren gehen, schrieb sie daher an ihren Sohn, so würden

Next

/
Thumbnails
Contents