Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)

Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr - J. Nosinich, Oberst im k. k. Kriegs-Archive: Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763 bis 1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreiches gegen die französische Revolution

IV. Der bayerische Erbfolgekrieg 1778 — 1779. 25 unmöglich, die Beschwerlichkeiten mehrerer Feldzüge auszuhalten. Um eine etwaige Betheiligung Russlands zu paralysiren, wenn dieses, ungeachtet der Neutralität Frankreichs, dem Bundesgenossen zur Hilfe kommen sollte, müsste schlimmsten Falls die Pforte zu einem ernstlichen Angriff bestimmt werden *). Kaiserin Maria Theresia, welche lieber ihren Ansprüchen auf Bayern gänzlich entsagen, als den Krieg mit seinen vielen Chancen und ungewissem Ausgange fortgesetzt sehen wollte, war bisher trotz des obigen Vortrages von Kaunitz im guten Einvernehmen mit ihrem kriegerischen Sohne geblieben; sie fügte sich seinen Wünschen und unternahm nichts gegen dessen Willen und zum Ausdruck gebrachte Meinung. Zum ersten Male handelte die Kaiserin gegen die Intentionen des Kaisers, als sie behufs Friedensstiftung den Herrn v. Thugut in das preussische Hauptquartier sandte, aber sie entschloss sich hiezu erst dann, nachdem sie durch die inzwischen eingegangenen Berichte aus dem Feldlager die Überzeugung geschöpft, dass dieser Schritt für das Wohl der Monarchie unerlässlich sei. W ie bereits erwähnt, hatte Kaiser Josef II., Anfangs Juli, über den Einbruch des feindlichen Heeres in Böhmen nach Wien berichtet. Bei diesem Anlasse sprach er sich nun über die politischen und militärischen Verhältnisse seiner Mutter gegenüber folgender- massen aus: „Äusserste Umstände erfordern auch äusserste Mittel. Die Erhaltung der Monarchie hänge bei dem ausgebrochenen, ver­derblichen und höchst gefährlichen Kriege von wenigen unglücklichen Augenblicken ab. Der Feind sei au Stärke wirklich überlegen und, wie bekannt, zu allen Mitteln bereit; der König ein grosser Kriegs­mann. Ohne Alliirte, wie die Monarchie sei, müsse sie ihre Ressourcen aus sich selber holen und darauf allein bauen. Einen Augenblick zu verlieren, ohne diese allerorten auf das Höchste zu spannen, wäre unverantwortlich. Eine Recrutirung von mindestens 40.000 Mann in allen Ländern ohne Ausnahme sei daher ein Gebot der Nothwendig- keit; Vermehrung der Finanzen durch Erschliessung neuer Einnahms­quellen und Verminderung der Ausgaben sei nicht zu umgehen. Im Auslände müssen Staatsanlehen, wenn auch unter noch so harten Bedingungen contrahirt werden, da es nicht angehe, über den Preis des Wassers zu feilschen, wenn das eigene Haus brenne. In Ungarn und Siebenbürgen insbesondere wäre die Insurrection aufzubieten oder Corps und Regimenter an ihrer Stelle zu errichten. Diese und andere ähnliche Massnahmen müssten sofort ohne die mindeste Zeitversäum- niss mit dem grössten Ernst und Nachdruck ergriffen werden. Wenn alle Hilfsquellen im Innern ohne jegliche Rücksicht eröffnet und in Anspruch genommen, auf die künftigen Übel, welche daraus ent- 1 1) Sybel: „Historische Zeitschrift“, 38. Band. Die Sendung Thugut’s in das preussische Hauptquartier. Von Adolf Beer.

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