Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)

Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr - J. Nosinich, Oberst im k. k. Kriegs-Archive: Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763 bis 1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreiches gegen die französische Revolution

140 Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr etc. Wien und Petersburg einander sich näherten, drängte die orientalische Frage zu einer Lösung und grossen Entscheidung. Es handelte sich darum, ob der am 10. März 1779 zu Constantinopel zwischen den rivalisirenden Mächten im Orient durch französische Vermittlung Unterzeichnete Vergleich ein Stück beschriebenes Papier bleiben, oder in Rechtskraft treten und die Beziehungen der Ufermächte des Schwarzen Meeres freundschaftlich gestalten sollte. Die Türkei konnte den Besitz der Krim, dessen sie durch die Unabhängigkeits-Erklärung dieser Halbinsel verlustig geworden, nicht verschmerzen und benützte jeden Anlass, sich ihrer eingegangenen völkerrechtlichen Verbindlich­keiten zu entledigen. Durch ihre Anstiftungen und Hilfe wurde der regierende Khan Sahim Girai im Jahre 1782 zum zweiten Male aus dem Lande vertrieben und dann durch russische Truppen in den Besitz seiner Macht wieder eingesetzt. Am 11. März 1782 schrieb diesbezüglich die Kaiserin Katharina an Kaiser Josef: Die in Umlauf gesetzten Gerüchte über einen von ihrer Seite bevorstehenden Bruch mit der Pforte und von einer neuen Theilung Polens seien ein Gewäsch und eine Verleumdung, die sie seit langer Zeit zu erdulden und zu verachten gelernt habe und daher jetzt gar nicht mehr beachte, da sie schon einen Zweig der Politik bilden etc. Bei dem Ausbruche der Unruhen in der Krim aber säumte die Kaiserin keinen Augenblick, ihren Bundesgenossen auf die weit­aussehenden Folgen, welche dieses Ereigniss nach sich ziehen könnte, mittelst folgender Briefe aufmerksam zu machen, und ihm ihre An- schauungs- und Handlungsweise kekannt zu geben. Czarskoeselo, 15. Juni 1782. „Sie habe Nachrichten aus der Krim erhalten, dass die Brüder des regierenden Khans gegen ihn eine Revolution in Scene gesetzt. Da diese Unruhen unter der Hand von der Pforte angestiftet und geschürt sein dürften, so würde sie Vor­sichtsmassnahmen zum Schutze der Grenzen ihres Reiches gegen Ein­fälle ergreifen, um die Ruhe und Unabhängigkeit der Krim, gemäss des Friedensvertrages von Kainardschi, wieder herzustellen. Der von Kafa nach Kertsch geflüchtete Khan Sahim Girai habe die Hilfe und Unter­stützung Russlands angerufen, und diese würden ihm auch gewährt werden. Obgleich die ersten Nachrichten die Absichten der Pforte nicht klar erkennen lassen, indem sie die Dinge auf das Schlimmste schildern und einen unvermeidlichen Bruch mit dem Ottomanischen Reiche zur Vor­aussetzung haben, glaubte sie dem Kaiser in Folge der zwischen den beiden Höfen bestehenden freundschaftlichen Verbindungen hierüber doch Mittheilungen machen zu sollen. Dies geschähe aber auch des­halb, damit der Kaiser, wenn er es für schicklich erachtet, mit ihr jetzt schon ein vorläufiges Übereinkommen treffen könne, welches nach dem Inhalte der gegenseitigen Engagements ein Arrangement über die unveränderlichen Grundsätze der Zukunft bilden würde.“

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