Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)
Die Kaiserkrönung Nikolaus I. von Russland 1826. (Aus den hinterlassenen Papieren des FML. Eugen Graf Haugwitz)
124 Die Kaiserkrönung Nikolaus I. von Kussland, 1826. Am 18. September mit der Kaiserin Mutter die zwei Erziehungs- Anstalten für bürgerliche und adelige Mädchen besucht; im ersten werden 140, im zweiten 250 Mädchen auf Kosten der Krone erzogen. Die Erziehung ist sehr zweckmässig, die Kaiserin gibt sich unendlich viel mit der Jugend ab, kennt sie beinahe alle mit Namen und kommt sehr oft dahin. Abends Ball; der Kaiser sprach mit mir äusserst gnädig und kam auf Petersburg zurück. Wir sprachen über Strassen; er äusserste, dass in diesem Lande der Massstab zu Allem so gross sei, dass es nicht ausführbar wäre, Chausseen zu bauen. Dies gab Anlass, von militärischen Communicationen zu sprechen, von Schlittentransporten und von der Beschwerlichkeit des Fortkommens der Artillerie u. s. w. Ich meinte, eine Batterie auf Schlitten müsste eine ganz eigenthümliche Erscheinung sein. Die Idee gefiel ihm so gut, dass ich nicht darauf wetten möchte, er werde sie verwirklichen. 25. September. Die hier zusammengezogenen Garden sind zum Rückmarsch beordert und werden in 10 Colonnen mit einem Tag Intervall abrücken ; jede Colonne braucht 40 Tage bis Petersburg. Das Militärspital, noch nicht vollendet, wird auf 2500 Kranke eingerichtet; das Gebäude ist grandios, Alles zierlich, rein, die Fuss- böden gewichst, Alles blank und glänzend, gute Betten mit Matratzen. Das Cadetenhaus zählt 560 Köpfe, alle werden als Officiere ausgemustert und haben einen ungeheuer grossen Erholungssaal. Das Etablissement für Soldatenkinder ist einzig in seiner Art auf 3000 Kinder eingerichtet; die herrschende Ordnung, Gleichförmigkeit, Disciplin, Reinlichkeit übersteigt jede Erwartung. Alles zielt auf unbedingten Gehorsam, Egalität und Disciplin. Nichts ist willkürlich, jede Bewegung, jedes Wort scheint einen Befehl oder Zeichen abzuwarten und beinahe möchte ich sagen, man isst und trinkt nach der Trommel. Im höchsten Grade lebende Maschinen, aber Maschinen, die Alles produciren, Alles lernen, zu Allem fähig und für jeden Unterricht äusserst empfänglich sind. Musik, Gesang, Geographie, Zeichnen wird ebenso pünktlich genau docirt und erlernt, als die Handgriffe. Die Jungen beantworten die Fragen mit eben solcher Sicherheit, als sie dem Commando beim Exerciren nachkommen. Äusserst knechtisch mag die Methode sein, doch wenn man überlegt, dass dieses Land 54.000 solcher Soldatenkinder erzieht, so muss man mit banger Empfindung gestehen, dass die Resultate in wenig Jahren ungeheuere sein müssen. Den 2. October die Pionniere ä cheval manövriren gesehen. Sie sind ebenso gewandt im Infanterie-, Cavalleriedienst, als in der Schanzarbeit und im Brückenschlag. Eine schöne Schöpfung des Kaisers. Die Kästen der Laufbrücken sind zugleich Pontons, deren zwei zusammen ein Brückenglied oder Plätte bilden, die einzeln als Über-