Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)

Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr - J. Nosinich, Oberst im k. k. Kriegs-Archive: Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763 bis 1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreiches gegen die französische Revolution

102 Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr etc. liehe Armee von der österreichischen Massenaufstellung an der Elbe in südöstlicher Richtung sich entfernte, desto mehr beraubte sie sich der Möglichkeit, das Heer des Prinzen Heinrich unterstützen zu können. Überdies sollte laut des allgemeinen Kriegsplanes für das Jahr 1778 die schlesische Armee unter dem Oberbefehl des Königs über Hultschin, Weisskirchen, Prerau und Brünn, bei Olmütz vorbei, ohne Rücksicht auf diese, mit starker Besatzung versehene und durch eine Armee von 60.000 Mann gedeckte Festung gegen Wien vorgehen, indess die sächsische Armee unter Commando des Prinzen Heinrich am linken Elbe-Ufer durch die Grenzpässe in Böhmen einbreche und gegen Prag operire. Die Ausführung dieses Feldzugsentwurfes, welcher die beiden gegenseitig mitzuwirken bestimmten Heere auf Entfernungen von 90 Meilen (675km) auseinander hielt, ihre Verbindung durch den nördlichen Gebirgsgürtel Böhmens, das Sudeten-Gesenke, die Flüsse Elbe, Moldau, Iser und March mit den dazwischenliegenden Festungen Prag, Königgrätz und Olmütz unterbrach, erschien dem Könige selbst zu gewagt. Er nahm daher davon Abstand und adoptirte einen andern, auf concentrische Unternehmungen gegründeten Kriegs­plan, da er nur zu bald erkannte, dass der ursprüngliche Entwurf nur dann einige Wahrscheinlichkeit des Gelingens hatte, wenn die Kriegsrüstungen der Österreicher hinter jenen der Preussen weit zurückblieben, die k. k. Armee in der Versammlung überrascht und ihre Vereinigung in Böhmen und Mähren verhindert worden wäre. Prinz Heinrich sah diesen Umstand so gut ein, dass er seinem Bruder wiederholt vorstellte, er müsste, sobald dessen Armee von der Elbe nach Mähren rückte, aus Böhmen abziehen, weil alsdann das Heer des Kaisers gegen ihn angriffsweise sich wenden und noch zu rechter Zeit bei Olmütz eintreifen würde. So wie der erste Operationsplan des Königs für 1778 lässt auch der zweite Raum zu einigen kritischen Bemerkungen. Auf den Antrag des Prinzen Heinrich, statt über Nachod durch den Pass von Trautenau mit der schlesischen Armee in Böhmen einzubrechen, sich der Elbe­quellen zu bemächtigen und über Hohenelbe mit seinem über Reichen­berg und Niemes gegen Turnau und Münchengrätz vorwärts sich be­wegenden Heere die Vereinigung zu suchen, ging Friedrich II. nicht ein. Und doch trat er in der Folgezeit den Rückzug über Trautenau an und blieb von den 102 Tagen, die er in Böhmen zubrachte, 41 Tage mit seinem Heere in jener Gegend stehen. Gemäss des allgemeinen Kriegsplanes musste die Armee des Prinzen Heinrich die Elbe drei­mal, und zwar bei Übigau-Dresden, bei Zschieren-Pillnitz, bei Leit- meritz, das Erzgebirge ebenfalls dreimal und das Lausitzer Gebirge einmal überschreiten. Dass bei einer so schwierigen kriegerischen Unternehmung, wie es der oftmalige Uferwechsel eines bedeutenden Flusses und das Forciren einer Gebirgsbarriére ist, dem Gegner sich

Next

/
Thumbnails
Contents