Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1882)

Die erste Belagerung Wien's durch die Türken im Jahre 1529

322 Die erste Belagerung Wien’s durch die Türken iin Jahre 1529. Überdies hat von beiden, in vieler Hinsicht sich so gleichenden Belagerungen die erste Manches an geschichtlichem Interesse voraus, nicht nur weil damals Wien vollständig sich selbst und seinem Schick­sale überlassen blieb, kein rettendes Entsatzheer auftrat und vorwiegend die unerschütterliche Tapferkeit eines Häufleins begeisterter Vertheidiger den übermächtigen, barbarischen Feind zur Aufhebung der Belagerung bewog, sondern auch weil damals das Osmanenthum unter dem that- kräftigen und eroberungssüchtigen Sultan Soliman II. auf dem Gipfel seiner Macht stand und eben zu dieser Zeit weitausgreifende Pläne zur Unterjochung Mittel-Europas in’s Werk setzte. Wie ernst diese Pläne verfolgt wurden, geht daraus hervor, dass Soliman, nachdem er schon 1522 Belgrad erobert und vier Jahre später auf dem Schlachtfelde von Mohács den Widerstand Ungarns brach, im Jahre 1529 mit einem für die damaligen militärischen Verhältnisse unerhört grossen Heere von 300.000 Mann persönlich in’s Feld zog, um Wien zu bezwingen, und schon drei Jahre nach dem unrühmlichen Abzüge von dieser Stadt mit einer ebenso zahlreichen Armee neuer­dings den Versuch machte, in’s Herz Deutschlands vorzudringen. Der unsterbliche Ruhm der Helden des Jahres 1683 wird durch den historischen Vergleich dieser beiden gewaltigen türkischen Anschläge gewiss nicht geschmälert, wohl aber jener der ebenso herzhaften und tapferen Männer des Jahres 1529 in das richtige Licht gestellt, und für die nachfolgende kurze Schilderung der ersten Belagerung und Vertheidigung Wien’s jenes Interesse wachgerufen werden, welches bedeutende und in cultureller Beziehung so einflussreiche Ereignisse jederzeit in Anspruch zu nehmen berechtigt sind. Ursache des Krieges. Die Niederlage von Mohács (29. August 1526) hatte Ungarns Schicksal entschieden. Die Osmanen überflutheten das unglückliche, von Parteikämpfen zerrissene Land und nur der gleichzeitig ausgebrochene Aufstand in Anatolien rettete es vorläufig von der vollständigen Besitznahme durch die Türken. Verderbliche Zwietracht entbrannte jedoch aufs Neue um die durch König Ludwig’s II. Tod bei Mohács erledigte Krone des heiligen Stephan. Während ein Theil der Magnaten, eingedenk der verbrieften Rechte des Hauses Habsburg, den Enkel Kaiser Max’, Erzherzog Ferdinand, zum König wählte, erklärte sich eine mächtige, von der Pforte unterstützte Partei für den ehrgeizigen Zipser Erbgrafen und Wojwoden von Siebenbürgen Johann von Zápolya und krönte den­selben thatsächlich am 26. November 1526 zum Könige von Ungarn.

Next

/
Thumbnails
Contents